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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gesell, aber von einem bedenklich
unordentlichen Lebenswandel.
    »Ich habe unten einen Wagen; ich empfehle mich«, schloß sie
lächelnd mit erhobener Stimme schon mitten im Zimmer.
    Dennoch blieb sie noch einige Minuten, um zu sehen, ob sich die
Gesellschaft nicht mit ihr zugleich verabschiede. Um sie dazu zu
bewegen, erbot sie sich sogar, jemanden in ihrem Wagen mitzunehmen.
Der Oberst nahm auch an, und es wurde ausgemacht, daß August neben
dem Kutscher auf dem Bock sitzen solle. Darauf begann allseitiges
Händeschütteln. Rougon stand an der weit offenen Tür, und jeder,
der sie durchschritt, hatte ihm noch ein letztes Wort des Beileids
zu sagen. Herr Kahn, Du Poizat und der Oberst reckten den Hals und
flüsterten ihm jeder noch ins Ohr» er möge sie nicht vergessen. Die
Charbonnels waren schon auf der obersten Treppenstufe, und Frau
Correur schwatzte im Vorzimmer mit Merle, während Frau Bouchard,
die ihren Gatten und Herrn d'Escorailles einige Schritte hatte
vorausgehen lassen, noch sehr anmutig vor Rougon stand und ihn mit
einschmeichelnder Stimme fragte, wann sie ihn in seiner Wohnung
unter vier Augen sprechen könne, ganz allein, denn sie sei zu
einfältig, wenn noch andere Leute da seien. Als aber der Oberst es
hörte, kehrte er sofort um, die anderen folgten, und jener
rief:
    »Wir alle werden Sie besuchen.«
    »Sie dürfen sich nicht vergraben!« äußerten mehrere.
    Herr Kahn hieß die anderen schweigen und ließ das große Wort vom
Stapel:
    »Sie gehören nicht sich selbst an, sondern
Ihren Freunden und Frankreich.«
    Endlich gingen sie, und Rougon konnte die Tür wieder schließen,
wobei er einen tiefen Seufzer der Erleichterung ausstieß. Da trat
Delestang, den er ganz vergessen hatte, hinter dem Haufen Kartons
hervor, die er als gewissenhafter Freund geordnet. Er war etwas
stolz auf seine Tätigkeit. Er war fleißig, während die anderen
schwatzten. So hatte er Grund, sich des lebhaften Dankes zu
erfreuen, den der große Mann ihm ausdrückte. Kein anderer als er,
sagte Rougon, könne ihm nützlich sein; er habe einen Ordnungssinn
und eine Methode zu arbeiten, womit er es weit bringen werde; und
Rougon fand noch andere Schmeicheleien, ohne daß man daraus ersah,
ob er sich nicht lustig mache. Endlich wandte er sich um, musterte
alle Winkel und sagte:
    »Aber ich glaube, wir sind dank Ihrem Beistande fertig… Ich habe
nur noch Merle zu beauftragen, daß er mir diese Pakete
heimbesorgt.«
    Er rief den Türsteher, zeigte ihm seine privaten Papiere, und
jener antwortete auf jeden Befehl:
    »Ja, Herr Präsident.«
    »Dummkopf!« rief Rougon endlich gereizt, »nennt mich doch nicht
mehr Präsident; ich bin es nicht mehr!«
    Merle verneigte sich, schritt auf die Tür zu und blieb dort
zögernd stehen. Dann kam er zurück und sagte:
    »Unten ist eine Frau zu Pferde, sie möchte den gnädigen Herrn
sprechen… Sie sagte, sie werde gern die Treppe heraufreiten, wenn
sie breit genug sei… Sie will den gnädigen Herrn nur begrüßen.«
    Rougon ballte schon die Faust in der Meinung, es sei ein Scherz.
Aber Delestang, der an das Fenster gegangen war, kam eilends zurück
und flüsterte sehr erregt:
    »Fräulein Clorinde!«
    Darauf ließ Rougon ihr sagen, er komme
hinunter. Während er und Delestang ihre Hüte nahmen, sah er
letzteren mit gerunzelten Brauen argwöhnisch an, verwundert über
seine Erregung, und wiederholte:
    »Mißtrauen Sie den Weibern!«
    Von der Schwelle aus warf er einen letzten Blick in das Gemach.
Durch die drei Fenster, die offen geblieben waren, schien die Sonne
hell herein, die geöffneten leeren Kartons, die zerstreuten
Schubladen, die zusammengeschnürten und mitten auf dem Teppich
aufgehäuften Pakete grell beleuchtend. Von den Papieren, die in den
Kamin geworfen worden, war nur noch eine kleine Schaufel schwarzer
Asche geblieben. Als er die Tür schloß, erlosch die niedergebrannte
Kerze, die auf dem Schreibtisch vergessen war, und der Klang der
von der Glut berstenden gläsernen Leuchterdille hallte durch das
weite, öde Gemach.

Kapitel 3
     
    Gegen vier Uhr nachmittags stattete Rougon der Gräfin Balbi
zuweilen einen kurzen Besuch ab. Als Nachbar begab er sich zu Fuß
dorthin. Die Gräfin bewohnte ein kleines Haus, wenige Schritte von
der Marbeufstraße, in der Allee der Elyseischen Felder. Übrigens
war sie selten zu Hause; und war es doch der Fall, so lag sie im
Bett und ließ sich entschuldigen. Trotzdem widerhallte ihre Treppe
stets vom Lärm der Besucher, und die Türen ihrer

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