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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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war,
zog die Schultern ein und schüttelte ihr die Hand, indem er einen
krummen Buckel machte.
    »Ich habe Merle gefragt, wie er sich hier befinde?« sagte Frau
Correur, den langen Burschen, der lächelnd vor ihr stand, mit einem
zärtlichen Blicke betrachtend. »Herr Rougon, sind Sie mit ihm
zufrieden?«
    »Gewiß, das bin ich«, bestätigte Rougon liebenswürdig.
    Merle lächelte nach wie vor, wobei seine Augen auf dem feisten
Nacken der Frau Correur ruhten. Sie räusperte sich und ordnete ihr
Haar an den Schläfen, worauf sie fortfuhr:
    »Ganz recht, mein Junge! Wenn ich jemanden unterbringe, dann
wünsche ich, daß jeder zufrieden ist… Und wenn Sie einen guten Rat
nötig haben, besuchen Sie mich; Sie wissen
ja, früh zwischen acht und neun Uhr. Bleiben Sie verständig!«
    Dann trat sie in das Zimmer und sagte zu Rougon:
    »Es geht nichts über gediente Soldaten!«
    Sie ließ ihn nicht mehr los, sondern führte ihn, durch das ganze
Zimmer trippelnd, bis zum Fenster in der andern Ecke und zankte ihn
aus, weil er nicht geöffnet hatte. Wenn Merle sie nicht durch die
kleine Türe eingelassen hätte, wäre sie draußen geblieben? Sie
mußte ihn doch, bei Gott, sehen; wie konnte er gehen ohne ihr zu
sagen wie es um ihre Bittschriften stehe? Sie zog ein kleines, sehr
fein in rosa Leinwand gebundenes Heft aus der Tasche und fuhr
fort:
    »Ich habe den Moniteur erst nach dem Frühstück gelesen und
sofort einen Wagen genommen. Wie steht es mit der Hauptmannswitwe
Frau Leturc, die einen Tabaksverschleiß haben möchte? Ich habe ihr
für die nächste Woche Bescheid versprochen. Und das Fräulein
Hermine Billeroy? Sie wissen wohl, eine ehemalige Schülerin von St.
Denis, die ihr Verführer, ein Offizier, heiraten will, wenn ein
Menschenfreund die erforderliche Mitgift hergibt? Wir haben an die
Kaiserin gedacht. Und alle die Frauen: Chardon, Testaniere,
Zalaguier, die seit Monaten warten!«
    Rougon antwortete ihr ruhig, erklärte die Verzögerungen und
vertiefte sich in die kleinsten Einzelheiten. Zum Schlüsse gab er
jedoch Frau Correur zu verstehen, daß sie künftig weit weniger auf
ihn rechnen dürfe. Dies machte sie trostlos. Sie war so glücklich,
Dienste erweisen zu können! Was sollte sie nun mit all diesen
Frauen anfangen? Dann kam sie auf ihre eigenen Angelegenheiten zu
sprechen, die Rougon sehr genau kannte. Sie wiederholte, daß sie
eine Martineau sei, eine Martineau aus Coulonges, einer guten
Familie, der Vendee entstammend, in welcher man sieben Notare zählen konnte. Das Amt kam vom Vater auf
den Sohn. Über ihren Namen Correur aber erklärte sie sich niemals
deutlich. Vierundzwanzig Jahre alt war sie nach einem ganzen Sommer
von Stelldichein, die sie einem Fleischergehilfen unter einem
Wagenschuppen gegeben, mit dem Liebsten durchgebrannt. Ihr Vater
hatte ein halbes Jahr unter diesem Skandal gelitten, von dem die
ganze Gegend noch immer sprach. Seitdem lebte sie in Paris und war
für die Ihrigen tot. Zehnmal hatte sie ihrem Bruder geschrieben,
der jetzt das Notariat bekleidete, ohne von ihm eine Antwort zu
erhalten; und sie legte dieses Schweigen ihrer Schwägerin zur Last,
»ein Pfaffenfrüchtchen, das diesen Narren Martineau an der Nase
herumführe«, wie sie sagte. Einer ihrer Lieblingsträume war, wieder
heimzukehren wie Du Poizat, um sich als gemachte und geachtete Frau
zu zeigen.
    »Vor acht Tagen habe ich nochmals geschrieben,« murmelte sie;
»ich wette, sie wirft meine Briefe ins Feuer! … Wenn Martineau
stürbe, müßte sie mir doch Tür und Tor öffnen. Sie haben kein Kind,
und ich würde dort wichtige Angelegenheiten zu ordnen haben…
Martineau ist fünfzehn Jahre älter als ich und leidet obendrein an
der Gicht, wie ich erfahren habe.«
    Dann fuhr sie in plötzlich verändertem Tone fort:
    »Wir wollen uns darüber nicht länger den Kopf zerbrechen. Wir
haben jetzt für Sie zu arbeiten, nicht wahr, Eugène? Und wir werden
arbeiten, sollen Sie sehen. Sie müssen alles sein, damit wir etwas
werden… Sie entsinnen sich, im Jahre einundfünfzig?«
    Rougon lächelte, und wie sie ihm mütterlich die Hand drückte,
flüsterte er ihr ins Ohr:
    »Wenn Sie Gilquin sehen, sagen Sie ihm doch, er möge vernünftig
sein. Als er neulich auf die Polizei gebracht wurde, ließ er es sich einfallen, meinen Namen zu
nennen, damit ich ihn freimache.«
    Frau Correur versprach mit Gilquin zu reden, einem ihrer
früheren Mieter aus der Zeit, wo noch Rougon bei ihr wohnte. Er war
ein gelegentlich sehr schätzbarer

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