Seine Exzellenz Eugène Rougon
für die Taufe werden sogleich
bewilligt.«
»Gewiß!« erwiderte Herr La Rouquette. »Der alte General Legrain,
der jetzt an beiden Beinen lahm ist, hat sich hertragen lassen und
befindet sich im Konferenzsaal, um die Abstimmung zu erwarten. Der
Kaiser hat allen Grund, auf die Ergebenheit des ganzen
gesetzgebenden Körpers zu rechnen. Keine unserer Stimmen darf ihm
bei dieser feierlichen Gelegenheit fehlen.«
Der junge Abgeordnete hatte sich sehr angestrengt, um sich das
ernste Aussehen eines Politikers zu geben. Sein puppenmäßiges, mit
einigen blonden Härchen geziertes Gesicht stemmte sich leicht auf
den Kragen, und er neigte den Kopf, wie um einen Augenblick den
Eindruck seiner beiden letzten rednerischen Wendungen zu genießen.
Dann aber brach er plötzlich in ein Gelächter aus und sagte:
»Mein Gott, was für drollige Köpfe diese Charbonnels haben!«
Darauf belustigte er sich mit Herr Kahn auf Kosten der Charbonnels. Die Frau hatte einen auffallend
gelben Schal, der Mann trug einen jener Überröcke aus der Provinz,
die mit der Axt zugehauen scheinen, und beide, groß, dick und
geduckt, stützten fast das Kinn auf den Samt der Brüstung, um der
Verhandlung besser folgen zu können, von der ihre Glotzaugen nichts
zu verstehen schienen.
»Wenn Rougon gestürzt wird, gebe ich keine zwei Sous für den
Prozeß der Charbonnels … Ganz wie mit Frau Correur … «
murmelte Herr La Rouquette.
Dann neigte er sich zum Ohr des Herrn Kahn und fuhr fort:
Ȇberhaupt, Sie kennen Rougon, sagen Sie mir also, was ist an
dieser Frau Correur! Sie hat einen Gasthof gehalten? Früher hat
Rougon bei ihr gewohnt; man sagt sogar, daß sie ihm Geld geliehen
hat … Was treibt sie gegenwärtig«
Herr Kahn war sehr ernst geworden; er strich sich langsam den
Bart und versetzte kurz:
»Frau Correur ist eine durchaus achtenswerte Frau.«
Dieses Wort machte der Neugier des Herrn La Rouquette ein jähes
Ende. Er kniff mit der Miene eines Schülers, der einen Verweis
erhalten hat, die Lippen zusammen, und beide betrachteten einen
Augenblick schweigend Frau Correur, die nahe bei den Charbonnels
saß. Sie trug ein sehr helles, malvenfarbenes Seidenkleid mit
vielen Spitzen und reichem Schmuck, ihr Gesicht war zu rosig, ihre
Stirn von kleinen blonden Löckchen bedeckt; sie zeigte ihren fetten
Hals, der trotz ihrer achtundvierzig Jahre noch sehr schön war.
Plötzlich hörte man im Hintergrunde des Saales eine Tür gehen
und ein Rauschen von Kleidern, das die Aufmerksamkeit aller
erregte. Ein Mädchen von bewundernswürdiger Schönheit, sehr
auffallend in ihrem wassergrünen, schlecht gearbeiteten
Seidenkleide, war in Begleitung einer älteren, schwarzgekleideten Dame in die Diplomatenloge
eingetreten.
»Siehe da! Die schöne Clorinde!« murmelte Herr La Rouquette und
erhob sich, um aufs Geratewohl zu grüßen.
Herr Kahn hatte sich gleichfalls erhoben, beugte sich zu Herrn
Béjuin nieder, der eben seine Briefe in die Umschläge steckte und
flüsterte ihm zu:
»Hören Sie, Béjuin, Gräfin Balbi und Tochter sind da. Ich will
sie fragen, ob sie nicht Rougon gesehen haben.«
Der Präsident hatte auf seinem Sitze eine neue Handvoll Papiere
ergriffen und warf beim Lesen einen Blick auf die schöne Clorinde
Balbi, deren Eintritt im Saale ein Flüstern erregt hatte. Indem er
weiter Blatt um Blatt einem Sekretär reichte, sagte er wie in einem
endlosen Satze, ohne Punkte und andere Zeichen:
»Hier ein Gesetzentwurf, betreffend die Weitererhebung einer
Zuschlagsteuer bei der städtischen Maut zu Lille …
Gesetzentwurf, betreffend die Vereinigung der Gemeinden
Doulevant-le-Petit und Ville-en-Blaisais (Haute-Marne) … «
Als Herr Kahn zurückkehrte, sah er untröstlich aus.
»Es ist gewiß, niemand hat ihn gesehen, sagte er zu Béjuin und
La Rouquette, die er am Ende des Halbkreises traf. Man hat mir
versichert, daß der Kaiser ihn gestern abend hat zu sich berufen
lassen, aber ich weiß nichts vom Ergebnisse dieser
Unterredung … Nichts ist so ärgerlich, als nicht zu wissen,
woran man sich zu halten hat.«
Während er sich abwandte, flüsterte Herr La Rouquette Herrn
Béjuin ins Ohr:
»Der arme Kahn hat eine Heidenangst, daß Rougon sich mit den
Tuilerien überwirft. Er hätte dann bei seiner Eisenbahn das
Nachsehen!«
Herr Béjuin, der wenig sprach, sagte mit Nachdruck:
»Wenn Rougon den Staatsrat verläßt, würde es
ein Verlust für jedermann sein.«
Darauf winkte er einem Hausbeamten und bat ihn, die
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