Seine Exzellenz Eugène Rougon
walachischen
Prinzessin noch immer beschlossene Sache?« fragte sie nach einem
Weilchen.
»Ich denke ja«, versetzte Rougon. »Sie ist sehr reich, und Marsy
leidet stets an Geldmangel. Übrigens soll er in sie rasend verliebt
sein.«
Das Schweigen wurde nicht mehr unterbrochen. Rougon saß da, sich
zu Hause wähnend, und ohne an den Abschied zu denken. Nachdenklich
nahm er seine Wanderung wieder auf. Diese Clorinde war wirklich ein
sehr verführerisches Mädchen. Er dachte an sie, als wenn er sie
schon längst verlassen hätte, und mit gesenkten Blicken vertiefte
er sich in unbestimmte, sehr süße Gedanken, deren inneren Kitzel er
genoß. Er empfand eine wonnige Mattigkeit in den Gliedern, als ob
er eben aus einem warmen Bade steige. Der eigentümliche Duft einer
fast gezuckerten Herbheit durchdrang ihn. Gern hätte er sich auf
eines der Sofas gelegt und wäre in diesem Dufte
eingeschlummert.
Plötzlich riß ihn eine Stimme aus seiner
Träumerei. Ein hochgewachsener Greis, den er nicht hatte eintreten
sehen, küßte die Hände Clorindes, die sich lächelnd zum Rande der
Tafel vorbeugte.
»Guten Tag, Herzchen«, sagte er. »Wie schön bist du! Du zeigst
also alles, was du hast?«
Er sagte es mit einem spöttischen Lächeln; während Clorinde
verwirrt ihre Spitzenzipfel wieder zusammenraffte, fuhr er lebhaft
fort:
»Nicht doch, es ist sehr gut so; du kannst alles zeigen! Armes
Kind, ich habe ganz andere Dinge gesehen.«
Dann wandte er sich an Rougon, den er als »lieben Kollegen«
ansprach. Er drückte ihm die Hand und sagte:
»Das Mädel hat sich öfter als einmal auf meinen Knien vergessen,
als es noch klein war. Und jetzt hat es eine Brust, die einem die
Augen aussticht!«
Es war ein Herr von Plouguern, jetzt siebzig Jahre alt. Unter
Ludwig Philipp von Finistere in die Kammer entsandt, war er einer
der legitimistischen Abgeordneten, welche die Pilgerfahrt nach
Belgrave-Square unternahmen. Infolge der Brandmarkung, die ihn und
seine Genossen seitens der Kammer traf, legte er sein Mandat
nieder. Nach den Februartagen zeigte er plötzlich große Vorliebe
für die Republik, die er von den Bänken der Konstituante aus
lebhaft begrüßte. Nachdem ihm der Kaiser jetzt im Senat eine
wohlverdiente Zuflucht gesichert hatte, war er Bonapartist; jedoch
als freier Edelmann. Seine große Ergebenheit gestattete sich
zuweilen den Hochgenuß, der Regierung ein wenig entgegenzutreten.
Die Undankbarkeit ergötzte ihn. Ungläubig wie Thomas, verteidigte
er die Religion und die Familie, was er seinem Namen, einem der
erlauchtesten der Bretagne, schuldig zu sein glaubte. Hin und
wieder fand er das Kaiserreich unsittlich und sagte es laut heraus.
Sein Leben war eine Kette von anrüchigen
Abenteuern und Ausschweifungen gewesen; in der Kunst, jeden Genuß
zu verfeinern, hatte er es außerordentlich weit gebracht. Man
erzählte aus seinem Alter Geschichtchen, welche die Jugend in
träumerisches Entzücken versetzten. Auf einer Reise in Italien
hatte er die Gräfin Balbi kennengelernt und war dreißig Jahre ihr
Liebhaber gewesen; nach Jahren der Trennung vereinigten sie sich
wieder auf drei Nächte in den Städten, wo sie gerade
zusammentrafen. Nach einer Überlieferung war Clorinde seine
Tochter, in Wirklichkeit wußte weder er noch die Gräfin etwas
Genaues darüber. Jetzt jedoch, da das Mädchen erwachsen, dick und
begehrenswert geworden war, behauptete er, ehemals mit ihrer Mutter
viel Umgang gehabt zu haben. Er schwelgte mit seinen noch sehr
lebhaften Augen in ihrem Anblick und nahm sich als alter Freund bei
ihr die größten Vertraulichkeiten heraus. Groß, hager, knochig,
hatte er einige Ähnlichkeit mit Voltaire, den er im stillen
verehrte.
»Pate, du siehst mein Bild nicht an?« rief Clorinde. So nannte
sie ihn nämlich aus Freundschaft.
Er hatte sich hinter Luigi gestellt und kniff mit Kennermiene
die Augen ein, wobei er murmelte:
»Köstlich!«
Rougon trat herzu, und Clorinde selbst sprang vom Tische herab,
um besser zu sehen. Alle drei waren entzückt, denn das Bild war
sehr gut getroffen. Der Maler hatte schon die ganze Fläche mit
mattem Rosa, Weiß und Gelb bedeckt, und dazwischen heraus lächelte
das Gesicht mit seinen geschwellten Lippen, gewölbten Brauen und
rosig zarten Wangen wie eine niedliche Puppe. Es war eine Diana,
die man sich auf einem Pastillendöschen nicht zierlicher gedacht
hätte.
»Seht doch, da am Auge die kleine Linse!« sagte
Clorinde, bewundernd in die Hände
klatschend. »Dieser Luigi
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