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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zugleich sehr feine und geschmeidige
Hand.«
    Unwillkürlich hatte das junge Mädchen den Blick auf die groben
Fäuste Rougons gesenkt. Er bemerkte es und fuhr lächelnd fort:
    »Ich habe rechte Tatzen, nicht wahr? Deshalb
habe ich mich nie mit Marsy verständigen können. Er säbelt die
Leute ritterlich nieder, ohne seine weißen Handschuhe zu beflecken.
Ich schlage mit der Faust drein.«
    Er hatte die Fäuste geballt, dicke, außen behaarte Fäuste, und
schwenkte sie, erfreut über ihre Wuchtigkeit. Clorinde ergriff
gedankenvoll das zweite Butterbrötchen und biß hinein. Endlich hob
sie den Blick zu Rougon empor und fragte:
    »Nun, und Sie?«
    »Meine Geschichte wollen Sie auch hören? Nichts ist leichter zu
erzählen. Mein Großvater war Gemüsegärtner. Ich trat bis zum
achtunddreißigsten Jahre als kleiner Advokat das Pflaster eines
Provinzstädtchens. Gestern war ich noch unbekannt. Ich habe nicht,
gleich Herrn Kahn, meine Schultern damit abgenützt, alle
Regierungen zu stützen. Ich habe nicht wie Béjuin die
polytechnische Schule besucht. Ich habe weder den schönen Namen des
kleinen d'Escorailles, noch das schöne Gesicht des armen Combelot.
Ich habe keine solche einflußreiche Familie wie La Rouquette, der
seinen Abgeordnetensitz seiner Schwester, der Witwe des Generals
Llorentz, jetzigen Palastdame, verdankt. Ich habe nicht wie
Delestang von meinem Vater fünf Millionen geerbt, die im Weinhandel
erworben wurden. Ich bin nicht an den Stufen eines Thrones geboren
wie der Graf de Marsy und nicht aufgewachsen, an den Röcken einer
gelehrten Frau hangend und von Talleyrand geliebkost. Nein, ich bin
ein neuer Mann, ich habe nur meine Fäuste… «
    Er schlug die Fäuste zusammen und lachte laut, um der Sache eine
scherzhafte Wendung zu geben. Er hatte sich wieder aufgerichtet und
schien Steine zwischen seinen Fingern zu zermalmen. Clorinde
bewunderte ihn. Er fuhr fort, wie mit sich selbst redend:
    »Ich war nichts und werde jetzt sein, was mir
beliebt. Ich bin eine Kraft. Und die
anderen erregen bei mir nur ein Achselzucken, wenn sie ihre
Anhänglichkeit an das Kaisertum beteuern. Lieben sie es etwa?
Empfinden sie etwas dafür? Würden sie sich nicht allen Regierungen
anbequemen? Ich bin mit dem Kaisertum gewachsen; ich habe es
gemacht, und es hat mich gemacht… Nach dem 10. Dezember bin ich zum
Ritter, im Januar 52 zum Offizier, am 15. August 54 zum Kommandeur,
vor einem Vierteljahr zum Großoffizier der Ehrenlegion ernannt
worden. Unter der Präsidentschaft war ich kurze Zeit Minister der
öffentlichen Arbeiten; dann hat mich der Kaiser mit einer Sendung
nach England betraut; hernach bin ich in den Staatsrat und in den
Senat eingetreten.«
    »Und wo werden Sie morgen eintreten?« fragte Clorinde mit einem
Lachen, worunter sie ihre brennende Neugier zu verbergen
suchte.
    Er sah sie an, unterbrach sich plötzlich und sagte:
    »Sie sind sehr neugierig, Fräulein Macchiavell!«
    Sie schaukelte ihre Beine noch lebhafter. Als Rougon sie so in
Gedanken versunken sah, glaubte er den Augenblick gekommen, sie ins
Verhör zu nehmen, und begann:
    »Die Weiber … «
    Aber sie unterbrach ihn und sagte halblaut, den Blick ins Weite
gerichtet und wie über ihre Gedanken lächelnd:
    »Oh, die Weiber, die haben etwas anderes!«
    Das war ihr einziges Geständnis. Sie verzehrte ihr Brötchen
vollends, leerte das Glas Wasser auf einen Zug und schwang sich mit
einem Satz, der ihre Gewandtheit als Reiterin bezeugte, auf den
Tisch, wo sie stehen blieb. Dann rief sie:
    »Nun, Luigi!«
    Der Maler hatte sich, vor Ungeduld an seinem Schnurrbart nagend,
erhoben und trippelte um sie und Rougon herum. Dann setzte er sich mit einem Seufzer und nahm
die Palette wieder zur Hand. Die drei Minuten Frist, die Clorinde
erbeten hatte, waren zu einer Viertelstunde geworden. Inzwischen
nahm sie ihre Stellung wieder ein, noch immer in die schwarzen
Spitzen gehüllt. Als sie wieder dastand wie zuvor, ließ sie die
Hülle mit einer einzigen Bewegung fallen. Sie wurde wieder zum
Marmor, der nichts, von Schamhaftigkeit weiß.
    In den Elyseischen Feldern nahm der Wagenverkehr allmählich ab.
Die untergehende Sonne vergoldete den Staub, den die Räder
aufwirbelten, daß die Bäume von einer Wolke roten Lichtes umhüllt
schienen. Im sinkenden Lichte, das durch die hohen Fenster
hereinfiel, erglänzten Clorindes Schultern in goldigem Schimmer.
Allmählich ward der Himmel blaß und blässer.
    »Ist die Heirat des Herrn von Marsy mit dieser

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