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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kleiderbündel
schlafende Katze.
    »Also Sie sind mir nicht böse?« wiederholte sie mit gedämpfter
Stimme und reichte ihm die Hände.
    Er versicherte, daß es nicht der Fall sei. Er hatte ihre Hände
ergriffen und tastete sich an ihren Armen bis oberhalb der Ellbogen
hinauf, sehr vorsichtig, damit seine groben Finger die schwarzen
Spitzen nicht zerrissen. Sie erhob leicht die Arme, als wollte sie
ihm hierbei behilflich sein. Sie standen im Schatten des
Wandschirmes, so daß der eine des andern Züge nicht erkennen
konnte. Hier empfand er in dieser Kammer, deren eingeschlossene
Luft ihm den Atem beengte, jenen Duft einer fast gezuckerten
Herbheit wieder, der ihn vorhin schon betäubt hatte. Als seine
Hände jedoch über die Ellbogen hinauf gelangt waren und zudringlich
wurden, entschlüpfte ihm Clorinde gewandt, und er hörte sie durch
die hinter ihnen offen gebliebene Tür hinausrufen:
    »Antonia, bringen Sie Licht und mein graues Kleid!«
    Als Rougon sich wieder auf der Straße
befand, blieb er einen Augenblick betäubt stehen und atmete die
frische Luft ein, die von den Höhen des Triumphbogens herabwehte.
Auf der jetzt wagenleeren Allee wurde eine Gasflamme nach der
andern angezündet, und ihr Glanz zog sich in einem Streifen lichter
Funken durch die Dunkelheit. Es war ihm, als habe er eben einen
Aderlaß bekommen, er strich sich mit der Hand über das Gesicht und
sagte ganz laut:
    »Nein, das wäre zu dumm!«

Kapitel 4
     
    Der Taufzug sollte um fünf Uhr bei dem Uhrenpavillon aufbrechen,
durch die große Allee des Tuileriengartens, über den
Eintrachtsplatz, die Rivolistraße, den Rathausplatz, die
Arcolebrücke, die Arcolestraße und den Pfarrplatz gehen.
    Von vier Uhr an drängte sich eine ungeheure Menschenmenge um die
Arcolebrücke. Dort auf der Lichtung, die der Fluß mitten in der
Stadt frei ließ, hatte ein ganzes Volk Raum. Dort erweiterte sich
der Gesichtskreis plötzlich; in der Ferne tauchte die Spitze der
St.-Ludwig-Insel auf, durchquert vom schwarzen Streif der
Ludwig-Philipps-Brücke; links verlor sich der schmale Arm in einem
Gewirr von niedrigen Häusern, rechts gab der breite Arm einen
weiten Ausblick frei, in dessen bläulichem Dunste man die grünen
Bäume des Weinhafens erkannte. Zu beiden Seiten, vom St.-Paul-Ufer
bis zum Gerberufer, vom Napoleonufer bis zum Uhrenufer, dehnten
sich die breiten Fußwege aus, während der Rathausplatz, gegenüber
der Brücke, eine ganze Ebene bildete. Über diese weiten Flächen
spannte der Himmel, ein warmer, klarer Junihimmel, seine unendliche
Bläue aus.
    Als es halb fünf Uhr schlug, wimmelte es schon überall von
Menschen. Auf den Fußwegen standen endlose Reihen Neugieriger, die
sich an die Brustwehren drängten. Ein wogendes Meer von Köpfen
erfüllte den Rathausplatz. Gegenüber an den weitgeöffneten
schwarzen Fenstern der alten Häuser des Napoleonufers war Kopf an
Kopf gedrängt, und selbst in den dunklen
Gäßchen, die auf den Fluß auslaufen, der Taubenstraße, der
St.-Landry-Straße, der Glatignystraße, nickten Frauenhüte, deren
Bänder im Winde flatterten. Die Liebfrauenbrücke wies eine Reihe
von Zuschauern auf, welche die Ellbogen auf den Stein stützten wie
auf den Samt einer riesigen Tribüne. Nach der andern Seite hin
bedeckte sich die Ludwig-Philipps-Brücke allmählich mit einem
Gewimmel von schwarzen Punkten, und sogar die Fenster weit unten,
die in regelmäßigen Abständen die Vorderwände der gelben und grauen
Häuser auf der Inselspitze durchbrachen, erhellten sich hin und
wieder durch lichte Gewänder. Auf den Dächern standen zwischen den
Schornsteinen Menschen, und noch andere spähten, selbst ungesehen,
durch Ferngläser von den Terrassen am Turmufer herab. Die Sonne,
deren schräge Strahlen breit herabfluteten, beschien das Wogen
dieser Menge; Schirme, wie Spiegel ausgebreitet, schimmerten gleich
Gestirnen inmitten des Kunterbunt der Frauenkleider und
Männerröcke.
    Was man aber von allen Seiten sah, von den Ufern, den Brücken,
den Fenstern aus, das war ein riesiger grauer Überrock, an die
nackte Wand eines sechsstöckigen. Hauses auf der St.-Ludwig-Insel
gemalt, dessen linker Ärmel am Ellbogen einwärts gekrümmt war, als
ob das Kleidungsstück die Haltung und Anschwellung eines inzwischen
verschwundenen Körpers bewahrt habe. Diese ungeheuerliche Reklame
gewann im Glanze der Sonne über dem Menschengewimmel eine
außerordentliche Bedeutung.
    Inzwischen hielt ein doppeltes Militärspalier für den Zug die
Bahn frei,

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