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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Clorinde winkte
ihm über dem Kopfe ihres Mannes zu, und er folgte ihr zum Fenster,
an das sie den Arm lehnte. Einen
Augenblick starrte sie schweigend in die unermeßliche Ferne, dann
fragte sie unvermittelt:
    »Warum wollen Sie Paris verlassen? Haben Sie mich nicht mehr
lieb? … Hören Sie, ich will vernünftig sein, Ihre Ratschläge
befolgen, wenn Sie es aufgeben, sich in die abscheuliche Heide zu
verbannen.«
    Er ward sehr ernst, als dieser Handel ihm vorgeschlagen wurde.
Er rückte die großen Interessen, die ihn riefen, in den Vordergrund
und erklärte, er könne jetzt keinesfalls mehr zurück. Während er
redete, bemühte sich Clorinde vergeblich, die Wahrheit in seinem
Gesichte zu lesen; er schien fest entschlossen fortzugehen.
    »Gut, ich sehe, daß Ihnen an mir nichts mehr liegt. Darum
benehme ich mich so, wie es mir beliebt… Sie werden schon
sehen.«
    Sie trat vom Fenster ohne Groll zurück; sie lachte sogar.
Delestang interessierte sich noch immer für das Feuer und suchte
die Zahl der Kamine des Schlosses zu ermitteln. Aber sie unterbrach
ihn, denn es war gerade Zeit zum Ankleiden, wenn sie nicht zur Jagd
zu spät kommen wollte. Rougon begleitete sie bis auf den Flur,
einen mit einem grünen Teppich belegten, klosterähnlichen, breiten
Gang. Im Vorübergehen unterhielt sich Clorinde damit, an den Türen
die Namen der Gäste zu lesen, die auf kleinen, von dünnen
Holzleisten eingerahmten Zetteln geschrieben standen. Schließlich
wandte sie sich um, und da ihr schien, daß Rougon mit verlegenem
Ausdruck ihr nachblickte, als wolle er sie zurückrufen, blieb sie
lächelnd einige Sekunden stehen. Er aber trat in sein Zimmer zurück
und schlug die Tür heftig zu.
    Das Frühstück wurde diesen Morgen früher eingenommen. In der
Wandkartengalerie plauderte man viel vom Wetter, das für eine
Hetzjagd vorzüglich sei: eine in Goldstaub aufgelöste Sonne, die Luft hell und glänzend,
unbewegt wie stehendes Wasser. Die Hofwagen sollten kurz vor Mittag
vom Schlosse abfahren; als Ort der Zusammenkunft war der
»Königsborn« bestimmt, eine weite Lichtung mitten im Walde. Die
kaiserliche Jägerei wartete dort schon seit einer Stunde: die
berittenen Jäger waren in roten Beinkleidern, den großen,
bordenbesetzten dreieckigen Hut seitwärts gesetzt, die Hundewärter
in schwarzen Schuhen mit Silberschnallen, um ungehindert durch das
Gebüsch laufen zu können. Um die Meute her waren die Wagen der von
den Nachbarschlössern geladenen Gäste in Reih und Glied
halbkreisförmig aufgefahren, während im Vordergrunde die Gruppen
von Damen und uniformierten Jägern ein Bild aus alter Zeit
schienen, eine Jagd unter Ludwig XV., die in der milden Luft wieder
zum Leben erwacht war. Das kaiserliche Paar begleitete die Jagd
nicht, sondern kehrte sofort nach ihrem Beginn in seinem leichten
Wagen zum Schlosse zurück, und viele folgten diesem Beispiele.
Rougon hatte anfangs versucht, sich an Clorindens Seite zu halten,
aber sie trieb ihren Renner so toll vorwärts, daß er zurückblieb
und heimzukehren beschloß, wütend darüber, daß er sie an der Seite
des Herrn von Marsy in weiter Ferne in einem Baumgange dahinjagen
sah.
    Gegen halb sechs Uhr wurde Rougon gebeten, in den inneren
Gemächern der Kaiserin den Tee zu nehmen. Dies war eine Gunst, die
gewöhnlich geistreichen Leuten vorbehalten blieb. Er fand dort
schon die Herren Beulin d'Orchère und von Plouguern; letzterer trug
in gewählten Ausdrücken einen derben Spaß vor, der sehr belacht
wurde. Inzwischen kehrten allmählich die Jäger heim: so Frau von
Combelot, die eine übermäßige Ermüdung heuchelte, und als man sie
ausfragte, in lauter Jägerausdrücken antwortete:
    »Das Wild hat sich mehr als vier Stunden lang hetzen lassen. Denken Sie sich, ein Weilchen ist es auf die
Ebene ausgebrochen. Es hatte sich etwas erholt. Am roten Sumpfe
wurde es endlich erlegt! Ein prächtiges Hallali!«
    Der Ritter Rusconi berichtete mit unruhiger Miene ein anderes
Vorkommnis.
    »Das Pferd der Frau Delestaeg ist durchgegangen … Sie ist
auf dem Wege nach Pierrefonds hin verschwunden, und man weiß noch
nicht, wo sie geblieben ist.«
    Darauf wurde er mit Fragen bestürmt; die Kaiserin, schien
trostlos. Er erzählte, daß Clorinde die ganze Zeit mit wilder
Ausdauer der Jagd gefolgt sei und mit ihrer Haltung die
schneidigsten Reiter entzückt habe. Plötzlich sei ihr Pferd einen
Seitenweg abgebogen …
    »Ja,« schaltete Herr La Rouquette ein, der vor Eifer brannte,
seine Weisheit

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