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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu bekleben, um dort eine
Geliebte unterzubringen; und er stellte ihn sich vor, wie er jetzt
in der Einsamkeit seines Zimmers, umgeben vom Schweigen der Nacht,
Bilder ausschnitt und sie mit Hilfe eines kleinen Pinsels sehr
sauber aufklebte.
    Rougon erhob den Arm, und es entfuhren ihm die Worte:
    »Seine Bande hat ihn zu dem gemacht, was er ist!«
    Dann beeilte er sich, ins Schloß zurückzukehren. Ihn begann zu
frieren, besonders an den Füßen, da seine Beinkleider nur bis zum
Knie reichten.
    Am andern Morgen gegen neun Uhr ließ Clorinde durch Antonia, die
sie mitgenommen, anfragen, ob sie mit ihrem Gatten bei ihm ihr
Frühstück nehmen könne. Er hatte sich eine Tasse Schokolade
bestellt und erwartete das Ehepaar. Antonia ging mit der großen
silbernen Platte voran, auf der ihnen der Kaffee gebracht
worden.
    »So, das wird gemütlicher, nicht wahr?« sagte Clorinde beim
Eintreten. »Sie haben auf dieser Seite die Sonne… Sie wohnen viel
besser als wir!«
    Damit begann sie, die Wohnung zu untersuchen. Sie bestand aus
einem Vorzimmer, woran sich rechts ein Gemach für den Diener
schloß; rückwärts lag das Schlafzimmer, ein weiter Raum, mit
rotgeblümtem Zitz ausgeschlagen, darin ein
großes, breites Mahagonibett und ein ungeheurer Kamin, in dem große
Klötze flammten.
    »Potztausend!« rief Rougon, »Sie müssen sich beschweren! Ich
hätte niemals ein Zimmer nach dem Hofe hinaus angenommen. Wenn man
sich alles gefallen läßt! … Ich habe es gestern Delestang
gesagt.«
    Die junge Frau brummte achselzuckend:
    »Er würde nichts dagegen haben, wenn ich in der Scheune
untergebracht würde.«
    Sie bestand darauf, selbst das Ankleidezimmer zu sehen, dessen
ganze Einrichtung aus Sèvresporzellan – in Weiß und Gold – bestand.
Als sie dann an das Fenster trat, entfuhr ihr ein leichter Ausruf
der Überraschung und Bewunderung. Vor ihr breitete meilenweit der
Forst sein wogendes Wipfelmeer aus; ungeheure Baumkronen verloren
sich in einem langsamen Wiegen und Wallen, und im hellen
Sonnenlichte des Oktobermorgens schien das ganze ein Gold- und
Purpurmeer, ein betreßter Kaisermantel, der von einem Himmelsrande
bis zum andern reichte.
    »Kommen Sie, wir wollen frühstücken!« sagte Clorinde.
    Sie räumten einen Tisch ab, auf dem sich ein Schreibzeug und
eine Schreibmappe befanden; und es machte ihnen einen besonderen
Spaß, sich selbst zu bedienen. Die junge Frau, sehr gut gelaunt,
bemerkte wiederholt, daß sie nach einer langen Traumreise im
Gasthofe zu erwachen geglaubt habe, dessen Wirt ein Fürst sei. Dies
Frühstück aufs Geratewohl, auf silbernen Schüsseln aufgetragen;
ergötzte sie wie ein Abenteuer in einem fernen, unbekannten Lande,
wie sie sagte. Inzwischen drückte Delestang seine Verwunderung über
die Holzmasse aus, die im Kamin loderte, und schloß, nachdenklich
in die Glut blickend:
    »Ich habe mir erzählen lassen, daß tagtäglich im Schlosse für
fünfzehnhundert Franken Holz verbrannt wird …
Fünfzehnhundert Franken! Rougon, scheint
Ihnen die Ziffer nicht etwas hoch?«
    Rougon, der seine Schokolade schlürfte, begnügte sich zu nicken.
Die Fröhlichkeit Clorindens machte ihn sehr nachdenklich. Sie
schien in einem wahren Schönheitsfieber erwacht zu sein; ihre
großen Augen sprühten vor Kampflust.
    »Von welcher Wette haben Sie gestern gesprochen?« fragte er sie
plötzlich.
    Sie lachte, ohne zu antworten; als er in sie drang, erwiderte
sie nur:
    »Sie werden schon sehen!«
    Allmählich wurde er aufgebracht und grob. Er spielte den
Eifersüchtigen, warf anfangs verschleierte Andeutungen, schließlich
ganz unverhüllte Anklagen hin: sie habe sich sehr auffällig
gemacht, habe ihre Hand länger als zwei Minuten in der des Herrn
von Marsy gelassen. Delestang tunkte inzwischen ruhig lange
Brotschnitte in seinen Kaffee.
    »Wenn ich Ihr Gatte wäre!« rief Rougon.
    Clorinde war hinter Delestang getreten, stützte beide Hände auf
seine Schultern und fragte:
    »Wenn Sie mein Mann wären, was dann?«
    Damit beugte sie sich zu ihrem Gatten nieder und flüsterte ihm
ins Ohr, daß ihr warmer Atem sein Haar kräuselte:
    »Nicht wahr, mein Freund, er würde ganz artig sein, ebenso artig
wie du?«
    Statt aller Antwort neigte er sich über die Hand, die auf seiner
linken Schulter ruhte, und küßte sie. Er warf einen verlegenen
Blick auf Rougon und zwinkerte ihm mit den Augen zu, um ihm
anzudeuten, daß er vielleicht etwas zu weit gegangen sei. Rougon
hätte ihn beinahe einen Schafskopf genannt. Aber

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