Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
auszukramen, »sie hat das arme Tier auch zu
rücksichtslos gepeitscht! … « Herr von Marsy ist hinterdrein
gejagt, um ihr beizustehen, aber auch er ist nicht mehr zum
Vorschein gekommen.«
    Frau von Llorentz, die hinter Ihrer Majestät saß, erhob sich.
Ihr war, als blicke man sie lächelnd an, und sie wurde ganz bleich.
Die Unterhaltung wandte sich darauf den Gefahren der Jagd zu: Einst
war der Hirsch in einen Bauernhof geflüchtet und hatte sich so
wütend gegen die Hunde gekehrt, daß eine Dame in dem Getümmel das
Bein brach. Dann stellte man Vermutungen auf. Wenn Herr von Marsy
des durchgegangenen Pferdes Herr geworden war, würden sie gewiß
beide abgestiegen sein, um sich einige Minuten zu erholen; Hütten,
Schuppen und Häuschen gab es eine Menge im Walde. Es schien Frau
von Llorentz, als ob das Lächeln sich verstärkte, während man sich
heimlich an ihrer eifersüchtigen Wut weidete. Rougon schwieg und
trommelte in fieberhafter Erregung mit den Fingern einen Marsch auf
seinen Knien.
    »Und wenn sie die Nacht draußen zubringen!«
brummte Herr von Plouguern zwischen den Zähnen.
    Die Kaiserin hatte den Auftrag gegeben, daß Clorinde sofort nach
ihrer Rückkehr zum Tee geladen werde. Plötzlich hörte man
halbunterdrückte Ausrufe. Die junge Frau stand auf der Schwelle,
mit geröteten Wangen und sieghaft lächelnd. Sie dankte Ihrer
Majestät für ihre bezeugte Teilnahme und fuhr ruhig fort.
    »Mein Gott, ich bin untröstlich. Es war unrecht, sich um mich zu
ängstigen … Ich hatte mit Herrn von Marsy gewettet, daß ich
das gefallene Wild als erste erreichen würde. Ohne dieses verdammte
Pferd … «
    Und sie schloß vergnügt:
    »Wir haben nicht verloren, weder ich, noch er.«
    Aber sie mußte das Abenteuer ausführlicher erzählen, und sie tat
es ohne die geringste Befangenheit. Nach zehn Minuten rasenden
Galopps war ihr Pferd ermattet, ohne daß sie Schaden genommen
hätte. Da sie jedoch vor Erregung ein wenig wankte, habe Herr von
Marsy sie für kurze Zeit unter einen Schuppen geführt.
    »Wir haben es erraten!« rief Herr La Rouquette. »Sie sagen,
unter einen Schuppen? Ich hatte gesagt: in einen Pavillon.«
    »Es muß da sehr unbequem gewesen sein!« bemerkte Herr von
Plouguern boshaft.
    Clorinde entgegnete langsam mit glücklichem Lächeln:
    »Nein, durchaus nicht. Es lag Stroh darin, und darauf habe ich
mich gesetzt … Es war ein großer Schuppen voller Spinngewebe,
die Nacht brach an; es war sehr drollig.«
    Frau von Llorentz fest anblickend, fuhr sie noch gedehnter fort,
was ihren Worten einen besonderen Nachdruck verlieh:
    »Herr von Marsy ist sehr gut zu mir gewesen.«
    Seitdem die junge Frau ihren Unfall zu
erzählen begonnen, hatte Frau von Llorentz heftig zwei Finger an
ihre Lippen gepreßt. Bei den letzten Worten schloß sie die Augen,
als sei sie vor Zorn schwindlig geworden. So saß sie eine Minute
lang; dann konnte sie sich nicht länger beherrschen und ging
hinaus. Herr von Plouguern schlich sehr neugierig hinterdrein.
Clorinde, die sie beobachtete, machte unwillkürlich eine siegreiche
Gebärde.
    Herr Beulin d'Orchère brachte die Unterhaltung auf einen
Skandalprozeß, womit die öffentliche Meinung sich sehr viel
beschäftigte; es handelte sich um eine Scheidungsklage, die auf das
Unvermögen des Mannes gegründet war; und er berichtete gewisse
Tatsachen in so schicklichen Ausdrücken der Rechtspflege, daß Frau
von Combelot, die ihn nicht mehr verstand, um nähere Erklärungen
bat. Der Ritter Rusconi erntete lebhaften Beifall, indem er
halblaut Volksweisen aus Piemont vortrug, Liebeslieder, die er dann
ins Französische übersetzte. Als er gerade mitten in einem solchen
war, trat Delestang ein, der seit zwei Stunden den Wald nach seiner
Frau durchsucht hatte; man lächelte über sein verstörtes Gesicht.
Die Kaiserin schien inzwischen eine lebhafte Zuneigung zu Clorinde
gefaßt zu haben, ließ sie an ihrer Seite Platz nehmen und redete
mit ihr über Pferde. Pyramos, das Pferd, das die junge Frau auf der
Jagd geritten, hatte einen sehr harten Galopp, sie versprach ihr
für den andern Tag Cäsar.
    Rougon war bei Clorindens Ankunft an ein Fenster getreten und
tat, als spähe er angelegentlich nach den Lichtern hinüber, die in
der Ferne, links im Park, angezündet wurden. So konnte niemand das
leichte Beben seiner Gesichtsmuskeln wahrnehmen. Er stand dort
lange und starrte in die Nacht hinaus. Endlich wandte er sich,
gleichgültig um, als Herr von Plouguern, der eben

Weitere Kostenlose Bücher