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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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viel
besser!«
    Der Kammerherr dankte mit liebenswürdiger Verbeugung und drehte
mit wahrhaft künstlerischer Vollendung weiter, Es war der letzte
Tanz. Im Familiensalon war inzwischen der Tee aufgetragen. Nero,
der unter einem Sofa hervorkroch, wurde
mit Butterbrötchen vollgestopft. Kleine Gruppen bildeten sich und
unterhielten sich vertraulich miteinander. Herr von Plouguern hatte
sich mit einem belegten Brötchen in die Ecke einer Konsole
geflüchtet, aß, schlürfte seinen Tee und erklärte dabei Delestang,
mit dem er das belegte Brot teilte, wie er, den man als
Legitimisten kannte, dazu gekommen sei, die Einladung nach
Compiegne anzunehmen. Mein Gott! Es war sehr einfach! Er glaubte,
er dürfe seine Unterstützung nicht länger einer Regierung versagen,
die Frankreich vor der Anarchie rette. Dann bemerkte er:
    »Dies Brötchen ist vorzüglich … Ich habe heute abend
schlecht genug gegessen.«
    In Compiègne war übrigens sein boshafter Witz immer lebendig. Er
äußerte über die meisten der anwesenden Frauen so derbe Worte, daß
Delestang darüber errötete. Er schone nur die Kaiserin, eine wahre
Heilige, sagte er. Sie zeige sich musterhaft fromm und sei
Legitimistin; sie würde gewiß Heinrich V. zurückberufen haben, wenn
sie frei über den Thron zu verfügen hätte. Darauf feierte er ein
Weilchen die süßen Freuden der Religion. Als er dann wieder eine
etwas schlüpfrige Anekdote zum Besten gab, kehrte gerade die
Kaiserin in Begleitung der Frau von Llorentz in ihre Gemächer
zurück. Auf der Türschwelle verbeugte sie sich tief vor der
Versammlung, die den Gruß durch eine stille Verbeugung
erwiderte.
    Die Zimmer leerten sich; man sprach lauter und tauschte
Händedrücke aus. Als Delestang seine Frau suchte, um mit ihr
hinaufzugehen, fand er sie nirgends. Endlich entdeckte Rougon, der
ihm suchen half, sie neben Herrn von Marsy auf einem schmalen Sofa
in dem kleinen Zimmer, wo Frau von Llorentz vor dem Grafen nach der
Tafel so schrecklich die Eifersüchtige gespielt hatte. Clorinde
lachte sehr laut, erhob sich, als sie
ihren Mann kommen sah, und sagte, noch immer lachend:
    »Guten Abend, Herr Graf … Sie sollen morgen bei der Jagd
sehen, ob ich meine Wette halte.«
    Rougon folgte ihr mit den Blicken, als Delestang sie am Arm
hinwegführte. Er hätte sie bis zu ihrer Tür begleiten mögen, um zu
fragen, was für eine Wette sie meine; aber er mußte Herrn von Marsy
standhalten, der ihn mit verdoppelter Höflichkeit zurückhielt. Als
jener sich endlich von ihm verabschiedet, ging er, anstatt sein
Bett aufzusuchen, durch eine offene Tür in den Park. Die
Oktobernacht war sehr dunkel: kein Stern war zu sehen, kein
Lüftchen regte sich; alles war schwarz und tot. In der Ferne lag
der schweigende Hochwald wie ein schwarzes Gebirge; kaum konnte er
zu seinen Füßen den matten Schimmer der Wege erkennen. Hundert
Schritte von der Terrasse blieb er stehen und ließ sich mit dem Hut
in der Hand die erquickende Kühle der Nacht über das Gesicht
streichen. Das war eine Erfrischung, wie ein Kraftbad. Er blickte
träumerisch nach links auf das Gebäude, wo ein Fenster noch hell
erleuchtet war, und während die anderen allmählich dunkel wurden,
noch immer allein die schläfrige Masse des Schlosses belebte. Der
Kaiser wachte, und plötzlich glaubte er seinen Schatten zu sehen,
einen ungeheuren Kopf mit den langen Schnurrbartenden; dann
huschten zwei andere Schatten vorbei, der eine sehr schlank, der
andere dick, so dick, daß er das ganze Fenster ausfüllte. In diesem
letzteren erkannte er deutlich den ungeheuren Schattenriß eines
Geheimpolizisten, mit dem Seine Majestät sich stundenlang
einzuschließen pflegte; und als der schlanke Schatten wieder
sichtbar wurde, kam er auf die Vermutung, es könne eine Frau sein.
Endlich verschwand alles, das Fenster nahm wieder seinen ruhigen
Schimmer an und sandte seinen Flammenblick in die
geheimnisvollen Tiefen des Parkes.
Vielleicht dachte der Kaiser jetzt an die Urbarmachung des Landes,
an die Gründung einer Arbeiterstadt, wo die Ausrottung der
Verarmung im großen versucht werden sollte. Er faßte seine
Entschlüsse oft in der Nacht, nachts unterzeichnete er Erlasse,
verfaßte er Aufrufe, setzte er Minister ab. Allmählich zog ein
Lächeln über Rougons Züge; unwillkürlich fiel ihm ein Bild ein: Der
Kaiser mit blauer Schürze und auf dem Kopfe eine Polizeimütze aus
einem Zeitungsblatt war damit beschäftigt, ein Zimmer zu Trianon
mit Tapeten zu drei Franken die Rolle

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