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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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klatschte Beifall. Einige Damen neigten
sich mit vor Erregung zuckenden Mundwinkeln weit vor, von der
brennenden Neugier erfüllt, die Hunde bei ihrer Mahlzeit zu sehen.
Aber man gab den Tieren nicht sogleich ihre Knochen. Die Sache war
sehr aufregend.
    »Nein, noch nicht!« flüsterten tiefe Stimmen.
    Inzwischen hatte Firmin zweimal hintereinander seine Peitsche
erhoben und gesenkt. Die Meute schäumte, zum äußersten getrieben.
Nachdem Firmin die Peitsche zum drittenmal gesenkt hatte, erhob er
sie nicht wieder. Der Lakai hatte sich mit dem Felle und dem Kopfe
des Hirsches in Sicherheit gebracht. Da stürzten die Hunde vorwärts
und wälzten sich über die Reste; ihr wütendes Bellen erstickte in
einem dumpfen Knurren, einem krampfhaften Zittern gestillter Gier.
Knochen knackten. Auf dem Balkon und an den Fenstern tat sich
allgemeine Befriedigung kund; die Damen lächelten grausam und
preßten ihre weißen Zähne zusammen; die
Männer keuchten erregt mit funkelnden Augen und zerbrachen die aus
dem Speisesaale mitgebrachten Zahnstocher. Im Hofe fand gleichsam
eine plötzliche Schlußfeier statt: die Jäger bliesen Fanfaren, die
Hundewärter schwenkten ihre Fackeln, bengalische Flammen warfen ihr
blutiges Rot durch die Nacht und besprühten die sanften Gesichter
der Compiègner Bürger mit einem großtropfigen roten Regen.
    Da wandte der Kaiser sich um. Als er Rougon neben sich sah,
schien er aus dem tiefen Sinnen zu erwachen, worin er seit dem
Essen versunken war, und begann:
    »Herr Rougon, ich habe mir Ihren Plan überlegt … Es stehen
ihm Hindernisse entgegen, viele Hindernisse.
    Er hielt inne, öffnete die Lippen und schloß sie wieder. Beim
Fortgehen fügte er hinzu:
    »Sie müssen in Paris bleiben, Herr Rougon!«
    Clorinde, die seine Worte vernommen hatte, konnte eine Bewegung
des Triumphes nicht unterdrücken. Alle Gesichter waren ernst und
besorgt geworden, während Rougon langsam durch die Gruppen zur
Landkartengalerie schritt.
    Unten beendeten die Hunde ihr Mahl. Sie schoben sich wütend
einer unter den andern, um in die Mitte des Haufens zu gelangen. Es
war eine Fläche von weißen und schwarzen Körpern, die sich mit
gefräßigem Knurren durch- und übereinander drängten wie ein
lebendiger See. Sie schlangen die Reste immer gieriger hinunter;
jeder wollte alles haben. Hin und wieder gerieten zwei aneinander
und heulten grimmig auf. Ein starker Bracke, ein prächtiges Tier,
das zu weit an den Rand gedrängt worden, wich knurrend aus dem
Kreise und stürzte sich dann in weitem Satze mitten in das Gewühl.
Er drängte die anderen beiseite und riß sich ein gehöriges Stück
aus den Eingeweiden des Hirsches los.

Kapitel 8
     
    Wochen vergingen. Rougon hatte sein müßiges und langweiliges
Leben wieder aufgenommen und erwähnte niemals den Befehl des
Kaisers, daß er in Paris bleiben solle. Er beklagte nur, daß sein
Vorhaben gescheitert sei, daß sich der Urbarmachung der Heide in
den Landes angeblich Hindernisse entgegenstellten, und hierüber
konnte er stundenlang reden. Welche Hindernisse konnten das sein?
Er sah keines. Er ereiferte sich sogar gegen den Kaiser, von dem er
keine Erklärung habe erlangen können, wie er klagte. Fürchtete
Seine Majestät etwa, das Unternehmen unterstützen zu müssen?
    Inzwischen besuchte ihn Clorinde immer häufiger. Jeden
Nachmittag schien sie von ihm eine Nachricht zu erwarten und sah
ihn erstaunt an, wenn er schwieg. Seit ihrem Besuche in Compiègne
lebte sie stets in der Erwartung eines plötzlichen Triumphes, sie
hatte ein ganzes Drama ersonnen: den jähen Zorn des Kaisers und
Marsys aufsehenerregenden Sturz, worauf sofort der große Mann
wieder ans Ruder berufen werde. Dieser Weiberplan schien ihr
unfehlbar. Ihr Erstaunen war daher grenzenlos, als sie nach Verlauf
eines Monats den Grafen noch immer im Ministerium sah, und sie
begann den Kaiser zu verachten, der sich nicht zu rächen wußte. Sie
an seiner Stelle würde ihrem Grolle schon Luft gemacht haben! Woran
dachte er nur in dem ewigen Schweigen, in das er sich hüllte?
    Doch verzweifelte sie noch nicht. Sie witterte ihren
Sieg, einen unvorhergesehenen Glücksfall.
Die Stellung des Herrn von Marsy war erschüttert. Rougon umgab sie
mit Aufmerksamkeiten wie ein Ehemann, der betrogen zu werden
fürchtet. Seit dem befremdenden Anfalle von Eifersucht zu Compiègne
überwachte er sie mit einer mehr väterlichen Sorgfalt, tränkte sie
mit Moral und wollte sie täglich sehen. Die junge Frau lächelte in
der

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