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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Bildung einer Gesellschaft
denken müssen … Ein Wort Eurer Majestät ist
erforderlich … «
    Des Kaisers Auge umflorte sich. Er nickte und wiederholte dann
dumpf, kaum hörbar:
    »Wir werden sehen … Wir werden noch davon … «
    Damit entfernte er sich schleppenden Ganges, quer durch eine
Quadrillefigur schreitend. Rougon machte ein vergnügtes Gesicht,
als ob er eines günstigen Bescheides sicher sei. Clorinde strahlte.
Allmählich hatte sich unter den ernsteren Herren, die nicht
tanzten, die Neuigkeit verbreitet, Rougon werde Paris verlassen und
an die Spitze eines großen Unternehmens im Süden treten. Man kam,
ihn zu beglückwünschen, und lächelte ihm vom einen Ende des Saales
bis zum andern zu. Die frühere Feindseligkeit war verschwunden;
wenn er sich selbst verbannte, konnte man ihm schon die Hand
drücken, ohne sich in Verruf zu bringen. Viele Gäste fühlten sich
augenscheinlich erleichtert; Herr La Rouquette trat sogar aus den
Reihen der Tänzer und redete darüber mit dem entzückten Ausdruck
eines seiner Sorgen entledigten Menschen mit dem Ritter
Rusconi:
    »Er tut wohl daran; er wird da draußen große Dinge vollbringen;
Rougon ist ein Kraftmensch, aber sehen Sie, es fehlt ihm an
politischem Takte.«
    Darauf pries er die Güte des Kaisers, der »Seine
alten Diener liebte, wie man. an
ehemaligen Geliebten zu hängen pflegt«. Er gebe sich ihnen hin,
habe Rückfälle von Zuneigung, selbst nachdem er mit ihnen auf die
auffälligste Weise gebrochen. Wenn er Rougon nach Compiegne geladen
habe, sei der Grund sicher eine uneingestandene Schwäche seines
Herzens. Der junge Abgeordnete führte andere Tatsachen an, die für
das gute Herz Seiner Majestät zeugten: er hatte die
vierhunderttausend Franken Schulden bezahlt, zu denen eine Tänzerin
einen General verleitet hatte; einem seiner alten Mitverschworenen
von Straßburg und Boulogne hatte er achthunderttausend Franken zur
Hochzeit geschenkt, der Witwe eines höheren Beamten fast eine
Million.
    »Seine Kasse wird geplündert«, schloß er. »Er hat sich nur
deshalb zum Kaiser wählen lassen, um seine Freunde zu
bereichern … Ich zucke die Achseln, wenn ich die Republikaner
ihm seine Zivilliste vorwerfen höre. Hätte er das Zehnfache, er
würde alles verschenken. Das Geld fällt wieder an Frankreich
zurück.«
    Indem beide so halblaut miteinander plauderten, folgten sie dem
Kaiser mit den Blicken. Er hatte eben einen Rundgang durch den Saal
vollendet und schritt vorsichtig, schweigend und einsam durch die
Gruppe der Tänzerinnen, die ihm achtungsvoll Platz machten. Wenn er
hinter den nackten Schultern einer sitzenden Dame vorbeiging,
reckte er etwas den Hals, kniff die Augenlider zusammen und tauchte
den Blick so tief wie möglich in den Busen.
    »Und dieser Scharfblick!« fügte der Ritter Rusconi noch leiser
hinzu. »Ein außerordentlicher Mensch!«
    Der Kaiser hatte sich ihnen genähert und blieb eine Minute ernst
und nachdenklich stehen. Dann schien er auf Clorinde zuschreiten zu
wollen, die eben sehr heiter und schön war; da sah sie ihn kühn an
und schien ihn zu erschrecken. So ging er
weiter, die Linke auf die Hüfte gestützt, mit der andern Hand den
gewichsten Schnurrbart drehend. Als er sich Herrn Beulin d'Orthère
gegenüber sah, wich er ihm aus, dann kam er von der Seite heran und
fragte:
    »Sie tanzen nicht, Herr Präsident?«
    Der Richter antwortete, daß er nicht tanzen könne und daher
niemals in seinem Leben getanzt habe.
    Der Kaiser wandte in ermutigendem Tone ein:
    »Das schadet nichts, man tanzt dennoch.«
    Das war sein letztes Wort. Langsam erreichte er die Tür und
verschwand.
    »Nicht wahr, ein außerordentlicher Mensch?« wiederholte Herr La
Rouquette das Wort des Ritters Rusconi. »Im Auslande beschäftigt
man sich sehr viel mit ihm, wie?«
    Der Ritter antwortete mit diplomatischer Zurückhaltung nur durch
ein unbestimmtes Nicken. Doch gestand er, daß die Augen von ganz
Europa am Kaiser hingen. Ein Wort aus den Tuilerien erschüttere die
benachbarten Throne.
    »Das ist ein Fürst, der zu schweigen versteht«, schloß er mit
einem Lächeln, dessen feiner Spott dem jungen Abgeordneten
entging.
    Beide wandten sich ritterlich wieder zu den Damen und machten
ihre Aufforderungen für die folgende Quadrille. Seit einer
Viertelstunde drehte ein Adjutant die Kurbel. Delestang und Herr
von Combelot eilten hinzu und erboten sich, an seine Stelle zu
treten. Aber die Damen riefen:
    »Herr von Combelot, Herr von Combelot! Er dreht

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