Seine junge Geliebte
sollen: ihm von Bärbel erzählen, von der Frau, die vielleicht einmal seine Mutter werden würde.
›Seine Mutter!‹ Er mußte bei dem Gedanken lächeln. Bärbel war zehn Jahre jünger als Axel. Es würde ihm sicherlich komisch vorkommen, wenn er eine so junge Stiefmutter bekäme.
Er faltete den Brief zusammen, steckte ihn in seine Brieftasche und zog sich einen Mantel über. Er nahm den Koffer und verließ das Zimmer. Er ging zur Autobushaltestelle und fuhr zum Bahnhof, um zunächst die Fahrkarte zu lösen. Er wußte ja nicht, wie lange er mit Axel zu reden haben würde, und es könnte passieren, daß er im letzten Augenblick auf dem Bahnhof ankäme und dann keine Zeit mehr hätte, eine Fahrkarte zu lösen.
Auf einem Plan in der Bahnhofshalle suchte er nach der Darmstädter Straße. Die Verbindung vom Bahnhof war einfach. Er brauchte wieder nur einen Autobus zu nehmen, bis zum Chlodwigplatz zu fahren und dann die paar Schritte bis zur Darmstädter Straße zu Fuß zu gehen.
Er bestieg den Bus, der wartend an der Endhaltestelle stand. Sein Herz klopfte bis in den Hals hinein. Es waren merkwürdige Gefühle: Versöhnung mit seinem Sohn, Überraschungsbesuch in Paris bei Bärbel. Irgendwie beglückten ihn seine Vorhaben. Er war überzeugt, daß heute sein Glückstag war.
Der Autobus fuhr ab. Einmal tauchten noch die eifersüchtigen Gedanken auf, die ihn heute nacht nicht hatten schlafen lassen, aber sie konnten sich nicht behaupten. Als der Autobus auf dem Chlodwigplatz hielt, waren sie bereits wieder verdrängt.
Sartorius stieg aus, überquerte den Platz, ging die Bonner Straße entlang und bog in die Darmstädter Straße ein. Bald fand er das Haus. Etwas wie Stolz erfüllte ihn, als er den Namen Axels Malkasten las.
Er überquerte die Straße. Die Tür war verschlossen. An der Glasscheibe klebte ein Plakat. Peter Sartorius trat näher und las es. Es zeigte, daß das Lokal eine Woche lang wegen Betriebsferien geschlossen war.
Peter Sartorius war enttäuscht. Er suchte, ob er nicht irgendwo einen Hinweis fände, wo Axel wohnte. Er wußte nur, daß er damals ausgezogen war, aber er hatte sich nie um seine neue Adresse gekümmert. Er hätte im Telefonbuch nachsehen können, aber es gab zu viele Schneiders. Vielleicht sollte er, über legte er, bei den Hausbewohnern nach Axels Adresse fragen, aber das würde nur Unruhe verbreiten. Er hatte so lange gewartet, um mit Axel zusammenzutreffen, da kam es auf ein paar Tage länger auch nicht mehr an. Er merkte sich das Datum der Wiedereröffnung. Dann marschierte er zum Chlodwigplatz zurück, um zum Bahnhof zu fahren. Es war noch genügend Zeit, um in einem Lokal etwas zu essen. Er verspürte Hunger. Bisher hatte er nicht daran gedacht.
Jemand faßte ihn beim Arm. Eine alte Frau stand neben ihm. »Darf ich Sie über die Straße bringen?« Sie zog ihn sanft auf die andere Straßenseite, nickte ihm zu und verschwand in der Menge.
Peter konnte nicht begreifen, warum die Frau ihn über die Straße geführt hatte. Dann fiel ihm ein, daß sie ihn mit der dunklen Brille wahrscheinlich für einen Blinden gehalten hatte, der dort wartend am Straßenrand stand und hoffte, daß ihm jemand eine helfenden Hand reichte.
Er stieg in den Autobus, der herangefahren kam. Wieder nahm ihn jemand beim Arm und führte ihn zu einem Platz. Die Menschen sind doch hilfsbereiter, als ich glaubte, fuhr es ihm durch den Sinn. Man muß ihnen nur Gelegenheit geben, ihre Hilfsbereitschaft zeigen zu können.
Ein wenig war die große Freude, die ihn bis eben noch erfüllt hatte, wieder von ihm gewichen. Er überlegte, ob er wirklich nach Paris fahren oder doch lieber in Köln bleiben sollte. Aber nun hatte er schon einmal die Fahrkarte gekauft. Das Schicksal hatte gesprochen. Er mußte einfach fahren …
»Hauptbahnhof, Endstation«, rief der Fahrer aus. Peter Sartorius erhob sich und verließ den Wagen. Er ging zum Bahnhofsrestaurant und setzte sich an einen Tisch. Der Ober kam. »Darf ich Ihnen etwas empfehlen?« schlug er vor.
»Ich möchte nur eine Kleinigkeit essen. Haben Sie Würstchen mit Kartoffelsalat?«
»Aber selbstverständlich, mein Herr.«
Peter Sartorius mußte an seinen Sohn Axel denken. Er hatte plötzlich das unbändige Bedürfnis, ihn wiederzusehen. In der ganzen Zeit, in der er mit Bärbel zusammen war, hatte er ihn vergessen. Vielleicht war der kurze Aufenthalt im Krankenhaus notwendig, um ihm klarzumachen, wie einsam er ohne diesen Sohn eigentlich war.
»Einmal Bockwurst
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