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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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auch einmal selbst!« Dr. Bruckner nahm das volle Glas und stellte es auf den Schreibtisch neben die Akte des Patienten. »Hat er Ihnen gesagt, warum er sich so plötzlich anders entschieden hat?«
    »Nein. Ich habe ihn zwar gefragt, aber er wich mit seiner Antwort aus. Er scheint sich über irgend etwas geärgert zu haben. Hoffentlich macht er keine Dummheiten.«
    »Vielleicht hat er erfahren, daß sich seine –«, Heidmann hüstelte, »Freundin einen anderen nach Paris mitgenommen hat. Und nun will er den beiden nachfahren und dort …«
    »Glauben Sie wirklich?« Bruckner paffte an seiner Pfeife. »Möglich wäre es schon. Ein eifersüchtiger Mann bekommt alles fertig. Hoffentlich gibt es keine Tragödie.«
    »Vielleicht sollten wir ihn zurückhalten?«
    »Wie sollten wir das machen? Wenn er gehen will, können wir ihn nicht halten.«
    »Würde da nicht ein kleines Fieber helfen?«
    »Einmal dürfen wir so etwas nicht tun – zum anderen –«, Dr. Bruckner stieß einen Rauchring zur Decke, »wie wollen Sie bei einem Menschen Fieber erzeugen? Mit Tabletten schaffen Sie es nicht. Sie müssen ihm irgendein Eiweißprodukt spritzen, aber dann würde das Fieber auch erst morgen oder übermorgen auftreten. Das wäre zu spät. Lassen wir ihn also fahren. Wahrscheinlich wird er die beiden Stecknadeln in dem Riesenhaufen Paris gar nicht finden.«
    Heidmann ging zur Tür. Bruckner folgte ihm und nahm seinen Arm. »Wo wollen Sie hin?«
    »Versuchen, Klarheit zu bekommen, was mit Herrn Sartorius los ist.«
    »Lassen Sie die Finger davon. Wir sind Ärzte und keine Moralisten. Medizinisch steht der Entlassung dieses Patienten nichts im Weg. Ich habe es ihm ja selber vor der Operation vorgeschlagen. Machen Sie also seine Papiere fertig«, wandte er sich an Schwester Angelika. »Ich werde alles unterschreiben. Will er heute schon fort?«
    »Ja, so bald wie möglich. Er kann es plötzlich kaum erwarten, unsere Klinik zu verlassen.«
    »Ich werde zu ihm gehen.« Thomas Bruckner deutete auf den Schreibtisch. »Sie bleiben hier, Herr Heidmann, und warten, bis ich zurück bin. Ich glaube, ich kann besser und ruhiger mit ihm verhandeln als Sie.«
    Peter Sartorius stand fix und fertig angezogen im Zimmer. Er wartete auf seinen Entlassungsschein. Die ganze Nacht hatte er nicht geschlafen. Es war, als ob die Schlaftablette, die ihm Dr. Bruckner gestern Abend verordnet hatte, ihn nur noch munterer gemacht hätte. Er war zwar in eine Art Halbschlaf gefallen, aber in diesem Halbschlaf arbeiteten seine Gedanken weiter, unbeirrt von äußeren Einflüssen. Er verstand nicht, warum sich Bärbel entschlossen hatte, länger als ursprünglich vorgesehen in Paris zu bleiben. Er hatte früh am Morgen in der Redaktion angerufen und sich erkundigt. Dort hatte man ihm gesagt, daß das Zimmer nur für eine Nacht gebucht worden war. Er hatte daraufhin sofort das Hotel Méridien angerufen und sich mit Bärbel verbinden lassen wollen. Aber man sagte ihm, daß sie sich nicht im Zimmer befände. Seine Unruhe vergrößerte sich.
    Fieberhaft überlegte er, was er tun könnte, und kam schließlich auf den Gedanken, nach Paris zu fahren und dort selbst nach dem Rechten zu sehen. Er mußte herausbekommen, was dort geschehen war.
    Wahrscheinlich war überhaupt nichts geschehen, versuchte er später sich zu beruhigen. Er glaubte, Bärbel so gut zu kennen, um zu wissen, daß sie keine Dummheiten begehen würde. Sie war oft genug unterwegs. Ihr Beruf erforderte viele Reisen. Niemals zuvor war er beunruhigt gewesen …
    Aber wenn sie sonst verreist war, hatte sie ihn immer sofort nach ihrer Ankunft angerufen. Dieses Mal hatte sie es nicht getan. Er hatte telefonieren müssen. Und sie war so merkwürdig am Apparat gewesen …
    Die Indizien, daß irgend etwas vorgefallen war, häuften sich. Je mehr er darüber nachgedacht hatte, desto unruhiger wurde er, bis er sich schließlich in den Gedanken versteifte, selbst nach dem Rechten zu sehen. Er versuchte sich einzureden, daß sich Bärbel freuen würde, wenn er unerwartet auftauchte …
    Er verließ seinen Platz am Fenster, trat vor den Spiegel über dem Waschbecken, nahm die Brille ab und knipste das Licht an. Seine Augen sahen noch grauenvoll aus. In der Nacht hatte sich die Schwellung verstärkt. Er sah jetzt – genau wie es Dr. Bruckner vorhergesagt hatte – wie ein Preisboxer nach einem K.o. aus. Er setzte die Brille wieder auf. Er hatte jene spiegelnden Gläser ausgesucht, durch die man zwar sehen, in die

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