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Seine Lordschaft lassen bitten

Titel: Seine Lordschaft lassen bitten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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können nicht alle einen festen Charakter haben, obwohl das für diejenigen, die ihn besitzen, eine Quelle großer Befriedigung sein muß. Ich möchte Sie nicht belästigen, Madame, und ich weiß, daß ich ein wenig zum Schwatzen neige, da ich selbst eher zu den weniger Gefestigten gehöre – deswegen will ich gleich zur Hauptsache kommen. Ich ersehe aus dem Register im Somerset House, daß Ihr Neffe Robert Duckworthy in Southwark geboren ist als Sohn von Alfred und Hester Duckworthy. Großartig geordnet ist das alles dort. Aber natürlich – wir sind ja nur Menschen – versagt das System dann und wann, nicht wahr?«
    Sie legte die faltigen Hände übereinander, und Wimsey sah, wie ein Schatten über ihre scharfen dunklen Augen huschte.
    »Wenn ich Ihnen nicht zuviel Mühe mache – auf welchen Namen wurde er denn angemeldet?«
    Ihre Hände zitterten leicht, aber die Frau antwortete ruhig:
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Es tut mir entsetzlich leid. Ich wußte mich nie sehr gut auszudrücken. Es wurden damals Zwillinge geboren, nicht wahr? Unter welchem Namen hat man den anderen registriert? Es tut mir leid, daß ich Ihnen lästig falle, aber die Sache ist wirklich wichtig.«
    »Was läßt Sie vermuten, daß es Zwillinge waren?«
    »Oh, das vermute ich nicht. Wegen einer Vermutung hatte ich Sie nicht belästigt. Ich weiß, daß es einen Zwillingsbruder gab. Was aus ihm wurde – mehr oder weniger weiß ich es immerhin...«
    »Er starb«, sagte sie hastig.
    »Ich bedauere unendlich, daß ich Ihnen widersprechen muß«, antwortete Wimsey, »ein unschönes Benehmen. Aber das Kind ist nicht gestorben, es lebt heute noch. Nur den Namen möchte ich von Ihnen wissen.«
    »Und warum sollte ich Ihnen etwas erzählen, junger Mann?«
    »Weil – entschuldigen Sie, wenn ich etwas erwähnte, was einem verfeinerten Geschmack recht unangenehm sein muß –, weil ein Mord begangen wurde und Ihr Neffe Robert der Tat verdächtigt wird. Ich weiß zufällig mit Sicherheit, daß sein Bruder der Mörder ist. Deshalb möchte ich dieses Bruders habhaft werden, verstehen Sie. Es wäre mir eine große Erleichterung – ich bin nämlich von Natur aus weich veranlagt –, wenn Sie mir helfen würden, ihn zu finden. Sonst muß ich zur Polizei gehen, und dann könnten Sie als Zeugin unter Strafandrohung vorgeladen werden. Ich würde Sie ungern – wirklich ungern – bei einem Mordprozeß im Zeugenstand sehen. Sie würden so peinlich in die Öffentlichkeit gezerrt, nicht wahr? Wenn wir dagegen den Bruder schnell festsetzen können, bleiben Sie und Robert von der ganzen Sache verschont.«
    »Gut«, sagte sie schließlich, »ich will es Ihnen erzählen.«
    Ein paar Tage später berichtete Wimsey Chefinspektor Parker. »Natürlich war die ganze Sache sonnenklar, wenn man von Freund Duckworthys seitenvertauschtem Innenleben wußte.«
    »Zweifellos, zweifellos«, erwiderte Parker. »Nichts konnte einfacher sein. Aber gleichwohl brennen Sie darauf, mir zu erzählen, wie Sie zu Ihren Folgerungen kamen, und ich will gern etwas Neues dazulernen. Haben alle Zwillinge die Organe auf der falschen Seite? Und sind alle Leute, deren Organe auf der falschen Seite sitzen, Zwillinge?«
    »Ja. Nein. Oder vielmehr: Nein, ja. Bei zweieiigen Zwillingen sind beide ganz normal. Bei eineiigen Zwillingen jedoch – die aus der Spaltung einer einzigen Eizelle entstehen – kann es geschehen, daß der eine wirklich als Spiegelbild des anderen erscheint, das heißt, daß bei ihm rechts und links vertauscht ist. Das hängt davon ab, wie sich die Eizelle spaltet. Man kann es bei Kaulquappen mit einem Roßhaar sogar künstlich hervorrufen.«
    »Ich will eine Notiz machen, damit ich es nachher sofort versuchen kann«, sagte Parker ernsthaft.
    »Irgendwo hatte ich gelesen, daß eine Person, deren Organe umgekehrt placiert sind, sich so gut wie immer als eineiiger Zwilling entpuppt. Sie sehen also, während der arme Robert Duckworthy am ›Student von Prag‹ und der vierten Dimension herumspintisierte, rechnete ich mit dem Zwillingsbruder.
    Augenscheinlich war folgendes geschehen: Es gab drei Schwestern mit Namen Dart: Susan, Hester und Emily. Susan heiratete einen Mann namens Brown, Hester einen namens Duckworthy; Emily war unverheiratet. Durch eine jener kleinen Ironien des Schicksals war die unverheiratete Emily offensichtlich die einzige der Schwestern, die ein Kind bekommen konnte. Als Ausgleich brachte sie Zwillinge zur Welt.
    Als diese Katastrophe nahe bevorstand,

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