Seitenwechsel

angrinsten und nicht wussten, was wir sagen sollten. Aus Angst vor der Stille platzten wir plötzlich beide gleichzeitig los:
    »Wie läuft es in der Schule?«
    »Was macht die Jobsuche?«
    »Du zuerst!«
    »Ladies first.«
    »Ich bin heißbegehrt«, erklärte ich schließlich lachend.
    »Das ist mir klar.«
    »Zwei Tageszeitungen und ein Wochenmagazin reißen sich um mich.«
    »Es ist immer gut, eine Auswahl zu haben.«
    »Ich überlege aber, es als Freie zu versuchen, weil ich dann eben … freier bin.«
    »Klingt gut. Dann bist du dein eigener Chef«, grinste Tim.
    »Höre ich da etwa einen versteckten Vorwurf heraus?«
    »Nein, ich denke nur, es hat was für sich, sein eigener Chef zu sein, weil …« Er überlegte.
    »Weil man dann nicht mehr riskiert, sich in ihn zu verlieben?«
    »Das habe ich nicht gesagt …«
    »Aber gedacht.«
    Wir stockten und mussten dann beide über unsere alte Gewohnheit lachen. Von da an lief das Gespräch ganz von alleine. Irgendwann schaute Tim entsetzt auf die Uhr und sprang auf, weil er Kai vom Kindergarten abholen musste.
    Wir sahen uns plötzlich wieder verkrampft an, weil wir uns normalerweise jetzt zum Abschied geküsst hätten. Aber das gehörte sich für ein erstes Date vielleicht noch nicht.
    »Das lief doch gut, oder?«, fragte Tim angespannt.
    »Ja, finde ich auch.«
    »Also können wir es wiederholen?«, bohrte er weiter nach.
    Ich lächelte. »Bestimmt, irgendwann.«
    »Und wann ist irgendwann?«
    »Bald.«
    »Bald wie in drei Monaten oder eher bald wie in drei Tagen oder bald wie in drei Stunden?«, versuchte Tim es weiter einzugrenzen.
    »Ich habe in den nächsten Tagen ein paar Vorstellungsgespräche«, wich ich aus.
    »Also bald wie in so bald wie möglich?«
    »Bald wie in: Ich rufe dich bald an.«
    »Okay. Also, bis bald.« Tim warf mir einen sehnsüchtigen Blick zu und ging.
    Ich sah ihm nach. Und musste ununterbrochen lächeln. Ich hatte meinen Job, mein Zuhause und meinen perfekten Ehemann verloren, aber wenn ich Tinas Frage jetzt beantworten müsste, könnte ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, Tim war es wert.
    Dann holte ich mein Handy hervor. »Karina?«, meldete sich Tim irritiert am anderen Ende. Eine zufriedene Ruhe breitete sich mit einem Mal in meinem ganzen Körper aus. Dann stürzte ich aus dem Café und rief ins Handy: »Bald wie in: Warte, ich komme mit.«

Über Sabine Leipert
    Sabine Leipert, geboren 1973 in Bünde, Westfalen, studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Anglistik und Romanistik in Köln und Paris. Sie arbeitete als Regieassistentin beim Fernsehen und schreibt seit einigen Jahren Drehbücher für Fernsehserien und Filme. Sabine Leipert lebt mit ihrer Familie in Köln. Im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen ihre Romane ›Wackelkontakte. Kein Sex geht gar nicht‹ und ›Geheimnummer. Kein Sex nach Plan.‹ www.sabineleipert.de

Impressum
     
     
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
    Covergestaltung und -abbildung: bürosüd°, München
     
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    ISBN 978-3-10-402002-0