Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
diesen Job ins Zeug gelegt. Vor fast zwei Jahren war sie bei Falko vorstellig geworden, hatte ihre überragenden Zeugnisse vorgelegt und ihm mit Feuereifer erklärt, unbedingt in den Bereich operative Fallanalyse wechseln zu wollen. Sein Interesse war nicht sonderlich groß gewesen. Doch Sarah hatte nicht lockergelassen und jede noch so kleine Gelegenheit genutzt, sich ungeachtet von Überstunden hilfreich zu erweisen und mit einem kompakten Wissen über das in Amerika schon seit langem praktizierte Profiling zu glänzen. So hatte Falko ihr schließlich vor knapp einem Jahr die Gelegenheit gegeben, an einem Fall mitzuarbeiten, bei dem er sie als Lockvogel eingesetzt hatte. Obwohl sie selbst nicht das Gefühl hatte, erheblich zur Klärung beigetragen zu haben, weil der Täter eher durch einen Zufall als durch die ihm gestellte Falle ins Netz ging, bekam sie schon kurze Zeit später die Chance, das Team um Falko Cornelsen zu ergänzen. Eine Chance, die sich kein zweites Mal bieten würde.
»Ich dachte, dass bestimmt keiner von uns bisher gefrühstückt hat«, erklärte sie und deutete auf das Gebäck.
»Was haben wir nur gemacht, als du noch nicht bei uns warst?« Falko lächelte sie freundlich an und nahm am Kopfende der Tafel seinen Platz ein. Timo Breitenbach setzte sich links von ihm an den Tisch und damit Sarah gegenüber. Rolf Kramer betrat als Letzter den Raum. Ihn kannte Falko am längsten und schätzte ihn wegen seiner unaufgeregten Art, vor allem aber wegen seiner Fähigkeiten im Bereich EDV und Recherche. Einzig die Tatsache, dass Rolf Kramer in einem Außeneinsatz, bei dem es um die Entführung und spätere Ermordung eines kleinen Jungen gegangen war, die Kontrolle verloren und den Entführer krankenhausreif geschlagen hatte, hatte dazu geführt, dass er einige Jahre nicht höhergestuft worden war. Sein früherer Vorgesetzter hatte Kramers Versetzung beantragt, und Falko hatte ihn mit Kusshand genommen. Allerdings blieb auch er vorsichtig, wenn es darum ging, Rolf bei Außeneinsätzen zum Zug kommen zu lassen.
Rolf begann sofort zu berichten: »Ich habe mit den Münchener Kollegen telefoniert. Die haben sowohl mit dem Agenten als auch mit den Mitarbeitern des Verlags gesprochen.«
»Und?«
»Das Opfer scheint eine ziemlich eigenwillige Person gewesen zu sein.«
»Inwiefern?«
Kramer zog sich eine Kaffeetasse heran, schenkte sich ein und trank einen Schluck. »Der Agent hat so lange gezögert, die Polizei zu informieren, weil er keinen Ärger mit dem Opfer bekommen wollte. So wie die Kollegen ihn verstanden haben, war der Umgang mit Rebecca Ganter ziemlich schwierig. Aber er wollte sie ja auch nicht heiraten, sondern ihre Bücher an die Verlage bringen. Also hat er’s hingenommen.«
»Was genau?«
»Sie hat sich total abgekapselt. Jede Störung hat sie in Wutanfälle gestürzt. Sie hat ihrem Agenten untersagt, sie anzurufen. Er durfte sich lediglich per Mail mit ihr in Verbindung setzen.«
»Resolute Geschlechtsgenossin«, stellte Sarah mit einer Prise Süffisanz fest.
»Vielleicht ist ihr das zum Verhängnis geworden«, warf Falko ein.
Rolf berichtete weiter, dass sowohl der Agent als auch der Verlagsleiter, ein Alexander Kubsch, übereinstimmend erklärt hatten, dass sie außer per Mail in den letzten Monaten keinerlei Kontakt zu der Autorin hatten. Die Fertigstellung ihres aktuellen Romans hatten sie nur bewerkstelligt, indem die Autorin immer dann, wenn drei Kapitel fertig waren, diese an den Agenten und an den Verlag geschickt hatte und von dort aus die weitere Bearbeitung erfolgt war. Sie war zeitlich in Verzug geraten und erst vor wenigen Wochen mit dem Manuskript fertig geworden. Gerade noch rechtzeitig, um den Präsentationstermin des Buches nicht verlegen zu müssen.
»Ist das nicht ganz schön ungewöhnlich?«, hakte Cornelsen nach.
Kramer zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber sie wollte es so. Das haben alle unabhängig voneinander erklärt.«
»Starallüren, was?« Sarah hob die Augenbrauen.
»Offenbar konnte sie es sich leisten«, wandte Rolf Kramer ein. »Sie hat wohl binnen kurzer Zeit zwei Bestseller veröffentlicht. Und der Verkauf des neuen Buches geht schon jetzt durch die Decke.«
»Was hat sie denn geschrieben?«
»Thriller.« Die Antwort war von Sarah gekommen. »Ich habe zwei ihrer Bücher gelesen. Harte Kost.«
»Was meinst du damit?«, fragte Falko.
»Ziemlich brutal eben. Im ersten Buch geht es um einen Geisteskranken, der die ehemaligen Pfleger aus
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