Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
seiner Psychiatrie umbringt. Er entführt die Männer und treibt üble Spielchen mit ihnen, bis er sie erledigt. Und im zweiten …«, sie überlegte kurz. »Wie war das noch? Ach ja, da werden junge Frauen, allesamt Krankenschwestern, verschleppt und vom Täter mit Kochsalzlösung und Fäkalien zwangsernährt, bis das irgendwann die Organe nicht mehr mitgemacht haben.«
»Erst Pfleger und dann Krankenschwestern. Unser Opfer scheint den Berufsstand nicht besonders zu mögen.« Timo Breitenbach blickte in die Runde.
»Scheint so«, erwiderte Kramer.
Falko Cornelsen rieb sich den Nacken, und ein Gedanke drängte an die Oberfläche. Er war nicht greifbar, eher wie eine schwache Erinnerung, die er mit dem eben Gehörten in einen Kontext zu bringen versuchte.
»Was denkst du?« Sarah Bischoff suchte seinen Blick.
»Ich weiß nicht. Was du da eben erzählt hast, die Geschichten mit den Krankenschwestern und der Zwangsernährung. Ich habe das Gefühl, als hätte ich das schon einmal gehört.«
»Hast du vielleicht ihr Buch gelesen?«
Er schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Nein, das ist es nicht.« Falko grübelte nach, doch je mehr er versuchte, sich darüber klar zu werden, desto weiter entfernte er sich von dem Gedanken. Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, es wird mir schon wieder einfallen. Konzentrieren wir uns auf die Fakten.«
Cornelsen verteilte die Tatortfotos auf dem Tisch.
»Sie wurde ziemlich übel zugerichtet«, bemerkte Rolf.
»Was fällt euch spontan auf, wenn ihr die Verletzungen des Opfers betrachtet?« Cornelsen musterte einen nach dem anderen. Er selbst hatte schon einen ersten Eindruck gewonnen. Doch wirklich einfühlen würde er sich erst können, wenn er sich später noch einmal allein im Haus des Opfers umsehen würde. Auch er betrachtete nochmals die Fotos. Erst jetzt fielen ihm die Hämatome auf, die er am Tatort nicht registriert hatte.
»Der Täter hat sie geschlagen, Nase und Mund verschlossen und sie auch noch erwürgt. Da war eine Menge Wut im Spiel«, stellte Timo Breitenbach fest.
»Sehe ich genauso«, stimmte Kramer zu.
»Ihr meint also, er hat ihr erst Ohropax in die Nase gestopft, dann den Mund zugeklebt und sie anschließend erwürgt?« Falko sah Timo und Rolf an, hob eines der Fotos, auf dem die Quetschungen am Hals dunkelrot hervortraten und reichte es an Sarah weiter, die es in Ruhe betrachtete und dann weitergab.
»Siehst du das anders, Falko?«, fragte Timo. »Die Blutergüsse sehen nicht so aus, als hätte er einen Gürtel oder Strick benutzt. Er hat mit bloßen Händen zugedrückt und sie langsam sterben lassen, oder nicht?« Timo sah die anderen an. »Das erfordert Kraft und auch Nerven, jemanden so umzubringen.«
»Oder umgekehrt«, überlegte Sarah laut.
»Umgekehrt?«, wiederholte Timo.
»Was wäre«, fuhr Sarah fort, »wenn er sie erst gewürgt und dann Mund und Nase verschlossen hätte?«
»Wozu?« Rolf runzelte die Stirn.
»Um sie leiden zu sehen«, führte Falko Sarahs Gedanken zu Ende. Sie nickte.
Falko tippte mit dem Finger auf das Foto. »Ich will euch nicht beeinflussen. Aber meinem Eindruck nach hat er sie erst gewürgt, anschließend Mund und Nase bearbeitet und dann zugesehen, wie sie erstickt ist. Doch um Klarheit zu haben, müssen wir das Obduktionsergebnis abwarten«, urteilte Falko. »Aber ich glaube, da könnte was dran sein.«
»Die Reihenfolge würde auch erklären, warum sie stillgehalten hat, bis der Kleber trocken war. Sie könnte zu dem Zeitpunkt durch das Würgen bereits ohnmächtig gewesen sein.«
Sarah drückte kurz mit zwei Fingern ihre Lippen zusammen. »Wie lange dauert es wohl, bis so ein Kleber getrocknet ist?«
»Nicht mal eine Minute«, erklärte Kramer. »Ich hab mir mal versehentlich, als ich mit meinem Neffen an seiner Eisenbahn gebastelt hab, die Finger zusammengeklebt. Das Zeug war sofort trocken, und ich hab ewig gebraucht, um den Klebstoff Millimeter für Millimeter wieder abzubekommen. Ich glaube, wenn dir jemand die Lippen verklebt und sie dann auch nur kurz zusammenhält, kannst du den Mund nicht wieder öffnen.«
»Also würde es auf jeden Fall reichen, wenn sie nur für eine kurze Zeit besinnungslos gewesen wäre. Doch warum diese perfide Form der Folter?«, fragte Sarah.
»Lasst uns den Bericht von Dr. Hentschel abwarten«, beschloss Falko die Diskussion. »Bis dahin beschäftigen wir uns mit der Viktimologie und bauen die ersten Teile des Täterprofils zusammen. Sarah! Wer war
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