Selbs Justiz
in einer Pearl-S.-Buck-Verfilmung.
Dann wurden die Reden gehalten. Korten war fulminant. Er schlug den Bogen von Konfuzius bis Goethe, übersprang Boxeraufstand und Kulturrevolution und erwähnte die ehemalige RCW -Niederlassung in Kiautschou nur, um den Chinesen das Kompliment zu flechten, daß der letzte Niederlassungsleiter dort von den Chinesen ein neues Verfahren der Ultramarin-Herstellung gelernt habe.
Der chinesische Delegationsleiter erwiderte nicht weniger gewandt. Er erzählte von seinen Studienjahren in Karlsruhe, verbeugte sich vor der deutschen Kultur und Wirtschaft von Böll bis Schleyer, redete Technisches, das ich nicht verstand, und schloß mit Goethes »Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen«.
Nach der Rede des rheinlandpfälzischen Ministerpräsidenten hätte auch ein weniger superbes Büfett charismatisch gewirkt. Für die erste Runde wählte ich Safran-Austern in Champagnersoße. Gut, daß es Tische gab. Ich kann Stehempfänge nicht leiden, wo man, mit Zigarette, Glas und Teller jonglierend, eigentlich gefüttert werden müßte. An einem Tisch erspähte ich Frau Buchendorff und einen freien Stuhl. Sie sah bezaubernd aus in ihrem rohseidenen, anilinfarbenen Kostüm. Die Knöpfe ihrer Bluse waren vollzählig.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Sie können sich einen Stuhl holen, oder wollen Sie die chinesische Sicherheitsexpertin gleich auf den Schoß nehmen?«
»Sagen Sie, haben die Chinesen etwas mitbekommen von der Explosion?«
»Von welcher Explosion? Aber im Ernst, die waren gestern zuerst auf der Burg Eltz und haben danach am Nürburgring den neuen Mercedes ausprobiert. Als sie zurückkamen, war alles vorbei, und die Presse packt die Sache heute vor allem von der meteorologischen Seite an. Wie geht es Ihrem Arm? Sie sind so was wie ein Held – das konnte nun leider nicht in die Zeitungen kommen, obwohl es eine schöne Geschichte abgegeben hätte.«
Die Chinesin trat auf. Sie hatte alles, was einen deutschen Mann von Asiatinnen träumen läßt. Ob sie wirklich die Sicherheitsexpertin war, fand auch ich nicht heraus. Ich fragte, ob es Privatdetektive in China gebe.
»Kein Plivateigentum, keine Plivatdetektive«, antwortete sie und fragte, ob es in der Bundesrepublik Deutschland auch weibliche Privatdetektive gebe. Das führte zu Betrachtungen über die darniederliegende Frauenbewegung. »Ich habe fast alles gelesen, was in Deutschland an Flauenbücheln elschienen ist. Wie kommt es, daß Männel in Deutschland Flauenbüchel schleiben? Ein Chinese wülde sein Gesicht vellielen.« Grückriches China.
Ein Ober übermittelte mir die Einladung an den Tisch von Oelmüller. Auf dem Weg nahm ich als zweiten Gang Seezungenröllchen nach Bremischer Ratsherrenart.
Oelmüller stellte mir seinen Tischgenossen vor, an dem mich die pedantische Kunstfertigkeit beeindruckte, mit der er seine spärlichen Haare auf dem Schädel arrangiert hatte: Professor Ostenteich, Leiter der Rechtsabteilung und Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Nicht zufällig tafelten diese Herren zusammen. Jetzt ging es an die Arbeit. Seit dem Gespräch mit Herzog beschäftigte mich eine Frage.
»Könnten die Herren mir das neue Smogmodell erklären? Herr Herzog von der Polizei hat es mir gegenüber angesprochen und auch erwähnt, daß es nicht ganz unumstritten ist. Was habe ich mir zum Beispiel unter der direkten Erfassung von Emissionen vorzustellen?«
Ostenteich fühlte sich berufen, die Gesprächsleitung zu übernehmen. »Das ist un peu délicat, würden die Franzosen sagen. Sie sollten das Gutachten von Professor Wenzel lesen, das die kompetentielle Problematik minutiös auffächert und die legislative Anmaßung von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz découvriert. Le pouvoir arrête le pouvoir – die bundesrechtliche Regelung des Immissionsschutzrechts blockiert solche landesrechtlichen Sonderwege. Dazu kommen Eigentumsfreiheit, Schutz der unternehmerischen Betätigung und der betrieblichen Intimsphäre. Darüber meinte der Gesetzgeber sich mit einem Federstrich hinwegsetzen zu können. Mais la vérité est en marche, es gibt noch, heureusement, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.«
»Und wie funktioniert nun das neue Smogalarmmodell?« Auffordernd sah ich Oelmüller an.
Ostenteich ließ sich die Gesprächsleitung so leicht nicht entwinden. »Gut, daß Sie auch nach dem Technischen fragen, Herr Selb. Das mag Ihnen unser Herr Oelmüller gleich explizieren. Der Kern, l’essence,
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