Selbs Justiz
auch nicht so erwähnen, wenn sie wüßte, daß ich Mischkey überführt hatte. Anscheinend hatte er ihr nichts erzählt und hatte sie auch als Firners Sekretärin nichts mitbekommen. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte.
»Mischkey hat mir gut gefallen, und es tut mir furchtbar leid, Frau Buchendorff, von seinem Tod zu hören. Aber wir wissen beide, daß auch der beste Fahrer nicht gegen Unfälle gefeit ist. Warum, meinen Sie, war es kein Unfall?«
»Kennen Sie die Eisenbahnbrücke zwischen Eppelheim und Wieblingen? Da ist es passiert, vor zwei Wochen. Nach dem Polizeibericht geriet Peter auf der Brücke ins Schleudern, durchbrach das Geländer und stürzte auf die Gleise, nicht auf die der Durchgangs-strecke, sondern auf die dazwischen. Er war angegurtet, aber das Auto begrub ihn unter sich. Es brach ihm den Halswirbel, und er war auf der Stelle tot.« Sie schluchzte auf, holte das Taschentuch heraus und schneuzte sich.
»Entschuldigen Sie. Er fuhr die Strecke jeden Donnerstag; nach der Sauna im Eppelheimer Schwimmbad
probte er mit seiner Band in Wieblingen. Er war musikalisch, wissen Sie, und wirklich gut am Klavier. Die Strecke über die Brücke ist fast schnurgerade, die Fahrbahn war trocken, und die Sicht war gut. Manchmal gibt’s da Nebel, aber an dem Abend nicht.«
»Gibt es Zeugen?«
»Die Polizei hat keine ermittelt. Und es war auch spät, gegen 23 Uhr.«
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»Das Auto wurde technisch untersucht?«
»Die Polizei sagt, daß am Auto alles in Ordnung gewesen ist.«
Nach Mischkey mußte ich nicht fragen. Man hatte ihn in die Gerichtsmedizin gebracht, und wenn dort Alkohol oder Herzversagen oder ähnliche Ausfälle festgestellt worden wären, hätte die Polizei es Frau Buchendorff gesagt.
Für einen Moment sah ich Mischkey auf dem stei-nernen Seziertisch liegen. Als junger Staatsanwalt muß-
te ich oft bei Leichenöffnungen zugegen sein. Mir kam das Bild in den Kopf, wie sie ihm am Ende Holzwolle in die Bauchhöhle stopften und ihn mit großen Stichen zunähten.
»Vorgestern war die Beerdigung.«
Ich dachte nach. »Sagen Sie, Frau Buchendorff, gibt es außer dem Hergang Gründe, aus denen Sie an der Unfallversion zweifeln?«
»In den letzten Wochen habe ich ihn oft nicht wiedererkannt. Er war mißmutig, abweisend, in sich gekehrt, saß viel zu Hause, hat kaum noch was mit mir unternehmen mögen. Hat mich einmal glatt rausge-schmissen. Und allen meinen Fragen ist er ausgewichen.
Manchmal dachte ich, er hätte eine andere, aber dann hing er wieder mit einer Innigkeit an mir, die er früher nicht gezeigt hatte. Mich hat das ganz ratlos gemacht.
Als ich einmal besonders eifersüchtig war, bin ich … Sie denken vielleicht, ich komme mit meinem Kummer nicht zurecht und bin hysterisch. Aber was an dem Nachmittag passiert ist …«
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Ich schenkte ihr Kaffee nach und sah sie auffordernd an.
»Es war an einem Mittwoch, den wir uns beide frei-genommen hatten, um einmal wieder mehr Zeit füreinander zu haben. Der Tag fing schon schlecht an; es war auch nicht so, daß wir mehr Zeit füreinander haben wollten, sondern ich wollte, daß er mehr Zeit für mich hat. Nach dem Mittagessen sagte er dann plötzlich, daß er jetzt für zwei Stunden wegmuß, ins Rechenzentrum.
Ich merkte ganz genau, daß das nicht stimmte, und war enttäuscht und wütend und spürte seine Kälte und sah ihn bei der anderen und tat etwas, was ich eigentlich ganz mies finde.« Sie biß sich auf die Lippe. »Ich bin ihm hinterhergefahren. Er fuhr nicht ins Rechenzentrum, sondern in die Rohrbacher Straße und über den Steigerweg den Berg hoch. Es war leicht, ihm zu folgen.
Er fuhr zum Ehrenfriedhof. Ich hab immer aufgepaßt, daß gehörig Abstand zwischen uns ist. Als ich am Ehrenfriedhof ankam, hatte er seinen Wagen schon abgestellt und betrat den breiten Mittelweg. Sie kennen doch den Ehrenfriedhof mit diesem Weg, der in den Himmel zu führen scheint? Am Ende steht ein fast mannsgroßer, kaum behauener sarkophagähnlicher Sandsteinblock.
Auf den ging er zu. Ich verstand überhaupt nichts und hielt mich hinter den Bäumen verborgen. Als er den Sandsteinblock fast erreicht hatte, traten dahinter zwei Männer hervor, rasch und leise, wie aus dem Nichts.
Peter sah von einem zum anderen; er schien sich einem zuwenden zu wollen, aber nicht zu wissen, welchem.
Dann ging alles blitzschnell. Peter wandte sich nach 128
rechts, der Mann zu seiner Linken machte zwei Schritte, packte ihn von hinten und hielt ihn fest. Der Kerl
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