Selbs Justiz
alte Apothekerregal, in dem meine Bücher und Platten stehen, und im Arbeitszimmer das Schiffsbett, das ich mir in die Nische gebaut habe. Ich freue mich bei der Rückkehr auch stets auf Turbo, den ich von der Nachbarin zwar gut versorgt weiß, der ohne mich aber doch auf seine stille Art leidet.
Ich hatte die Koffer abgestellt und die Tür aufgeschlossen und sah vor mir, während Turbo an meinem 119
Hosenbein hing, einen gewaltigen Präsentkorb, der auf dem Boden im Flur abgestellt war.
Die Tür der Nachbarwohnung öffnete sich, und Frau Weiland begrüßte mich. »Schön, daß Sie wieder da sind, Herr Selb. Meine Güte, sind Sie braun. Ihr Kater hat Sie sehr vermißt, gell, dudududu. Haben Sie den Korb schon gesehen? Der kam vor drei Wochen mit einem Chauffeur von den rcw. Schade um die schönen Blumen. Hab mir noch überlegt, ob ich sie in eine Vase stellen soll, aber dann wären sie jetzt auch hin. Die Post liegt wie immer auf Ihrem Schreibtisch.«
Ich bedankte mich und suchte hinter meiner Wohnungstür Schutz vor ihrem Redeschwall.
Von der Gänseleberpastete bis zum Malossol-Kaviar waren alle Delikatessen dabei, die ich mochte und die ich nicht mochte. Zum Glück mag Turbo Kaviar. Die beiliegende Briefkarte mit künstlerischem Firmenlogo war von Firner unterzeichnet. Die rcw dankten mir für meine unschätzbaren Dienste.
Sie hatten auch gezahlt. In der Post fand ich meine Kontoauszüge, Urlaubskarten von Eberhard und Willy und die unvermeidlichen Rechnungen. Den ›Mannheimer Morgen‹ hatte ich vergessen abzubestellen; Frau Wieland hatte die Zeitungen säuberlich auf meinem Kü-
chentisch geschichtet. Ich blätterte sie durch, ehe ich sie in den Müllsack tat, und schmeckte den faden Geschmack abgestandener politischer Aufregung.
Ich packte aus und warf eine Waschmaschine an.
Dann machte ich meine Einkäufe, ließ von Bäckersfrau, Metzgermeister und Kolonialwarenhändler mein erhol-120
tes Aussehen bewundern und fragte nach Neuigkeiten, als müsse während meiner Abwesenheit wunder was passiert sein.
Es war die Zeit der Schulferien. Die Geschäfte und Straßen waren leerer, mein Autofahrerblick entdeckte an den unwahrscheinlichsten Stellen freie Parkplätze, und über der Stadt lag sommerliche Stille. Ich hatte aus den Ferien jene Leichtigkeit mitgebracht, die einen nach der Rückkehr die vertraute Umgebung zunächst neu und anders erleben läßt. Dies alles gab mir ein Gefühl des Schwebens, das ich noch auskosten wollte. Den Gang ins Büro verschob ich auf den Nachmittag. Bang spazierte ich zum ›Kleinen Rosengarten‹: Würde er wegen Betriebsferien geschlossen sein? Aber schon von weitem sah ich Giovanni mit der Serviette überm Arm im Gartentor stehen.
»Du wiedär zurück von Griechän? Griechän nix gut.
Komm, ich dich machän Gorgonzolaspaghetti.«
»Si, Ittaker prima.« Wir spielten unser Deutscher-unterhält-sich-mit-Gastarbeiter-Spiel.
Giovanni brachte mir den Frascati und erzählte mir von einem neuen Film. »Das wäre eine Rolle für Sie gewesen, ein Killer, der auch Privatdetektiv hätte sein können.«
Nach Gorgonzolaspaghetti, Kaffee und Sambuca,
nach einem Stündchen mit der ›Süddeutschen‹ in den Anlagen am Wasserturm, nach einem Eis und einem weiteren Kaffee bei ›Gmeiner‹ stellte ich mich meinem Büro. Es war gar nicht so schlimm. Mein Anrufbeantworter hatte meine Abwesenheit bis zum Heutigen mit-121
geteilt und keine Nachrichten aufgenommen. In der Post fand ich neben den Mitteilungen des Bundesver-bandes Deutscher Detektive, dem Steuerbescheid, Werbesendungen und einer Einladung zur Subskription des Evangelischen Staatslexikons zwei Briefe. Thomas bot mir einen Lehrauftrag an der Mannheimer Fachhochschule im Studiengang Diplom-Sicherheitswart an. Die Vereinigten Heidelberger Versicherungen baten mich, sie sogleich nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub zu kontaktieren.
Ich wischte ein bißchen Staub, blätterte in den Mitteilungen, holte die Flasche Sambuca, die Dose mit den Kaffeebohnen und das Glas aus dem Schreibtisch und schenkte mir ein. Ich verweigere mich zwar dem Kli-schee vom Whisky im Schreibtisch des Privatdetektivs, aber eine Flasche muß sein. Dann sprach ich den neuen Text auf meinen Anrufbeantworter, vereinbarte mit den Heidelberger Versicherungen einen Termin, verschob die Antwort auf Thomas’ Angebot auf irgendwann und ging nach Hause. Den Nachmittag und Abend verbrachte ich auf dem Balkon und erledigte Kleinkram.
Über den Kontoauszügen kam ich
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