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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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Studienzeit, hatte mich zwar gebeten, mich reichlich vor meiner Ankunft bei ihr anzumelden. Sie mußte für unsere Segelfahrt die von ihren Eltern geerbte Jacht in Schuß bringen lassen und aus ihren Nichten und Neffen eine Mannschaft zusammenstellen. Ich wollte mich lieber in Piräus in den Hafenkneipen herumtreiben als im ›Mannheimer Morgen‹ von Mischkeys Verhaftung lesen und mich von Frau Buchendorff mit Firner ver-115
    binden lassen, der mir mit glatter Zunge zu meinem Erfolg gratuliert.
    Ich kam eine halbe Stunde zu spät zum Essen mit Korten, aber damit konnte ich niemandem nichts beweisen. »Sie sind Herr Selb?« fragte mich am Empfang eine graue Maus, die zuviel Rouge aufgelegt hatte.
    »Dann ruf ich gleich mal rüber zum Herrn Generaldirektor. Wenn Sie sich bitte so lange gedulden wollen.«
    Ich wartete in der Empfangshalle. Korten kam und begrüßte mich kurz angebunden. »Geht’s nicht weiter, mein lieber Selb? Muß ich dir helfen?«
    Es war der Ton, in dem der reiche Onkel den lästigen, Schulden machenden und um Geld bettelnden Neffen begrüßt. Ich sah ihn verblüfft an. Er mochte viel zu tun haben und gestreßt und genervt sein, aber genervt war ich auch.
    »Müssen mußt du nur die Rechnung bezahlen, die hier im Umschlag mit drin liegt. Im übrigen kannst du dir anhören, wie ich deinen Fall gelöst habe, aber es auch bleibenlassen.«
    »Nicht so empfindlich, mein Lieber, nicht so empfindlich. Warum hast du Frau Schlemihl nicht gleich gesagt, worum es geht?« Er nahm mich am Arm und
    führte mich wieder in den Blauen Salon. Meine Blicke suchten vergebens nach der Rothaarigen mit den Som-mersprossen.
    »Du hast den Fall also gelöst?«
    Ich gab ihm kurz den Inhalt meines Berichtes wieder.
    Als ich bei der Suppe auf die Fehlleistungen seiner Mannschaft zu sprechen kam, nickte er ernst. »Ver-116
    stehst du jetzt, warum ich das Heft noch nicht aus der Hand geben kann? Alles nur Mittelmaß.« Dazu hatte ich nichts zu sagen. »Und was ist das für einer, dieser Mischkey?« fragte er.
    »Wie stellst du dir jemanden vor, der für euer Werk hunderttausend Rhesusäffchen ordert und Kontonummern löscht, die mit 13 anfangen?«
    Korten schmunzelte.
    »Genau«, sagte ich, »ein lustiger Vogel und außerdem ein blitzgescheiter Informatiker. Wenn ihr den in eurem Rechenzentrum gehabt hättet, wäre es zu den Pannen nicht gekommen.«
    »Und wie hast du diesen blitzgescheiten Vogel gestellt?«
    »Was ich dazu sagen mag, steht in meinem Bericht.
    Ich habe keine Lust, mich jetzt noch groß darüber aus-zulassen, irgendwie fand ich Mischkey sympathisch, und es ist mir nicht leichtgefallen, ihn zu überführen.
    Ich fände es schön, wenn ihr ihn nicht so ganz streng, nicht ganz hart – du verstehst schon, nicht wahr?«
    »Selb, unser Seelchen«, lachte Korten. »Das hast du nie gelernt, die Sachen ganz oder gar nicht zu machen.«
    Nachdenklicher kam dann: »Aber vielleicht ist gerade das deine Stärke – sensibel kommst du hinter Sachen und Leute, sensibel pflegst du deine Skrupel, und letztlich funktionierst du doch.«
    Es verschlug mir die Rede. Warum so aggressiv und zynisch? Kortens Bemerkung hatte mich erwischt, wo es weh tat, und er wußte das und blinzelte vergnügt.
    »Keine Angst, mein lieber Selb, wir werden schon 117
    kein unnötiges Porzellan zerschlagen. Und was ich über dich gesagt habe – ich schätze das an dir, versteh mich nicht falsch.«
    Er machte es noch schlimmer und schaute mir mild ins Gesicht. Selbst wenn an seinen Worten was dran war – heißt Freundschaft nicht, behutsam mit den Le-benslügen des anderen umgehen? Aber es war nichts dran. In mir stieg die Wut hoch.
    Ich mochte keinen Nachtisch mehr. Und den Kaffee wollte ich auch lieber im ›Café Gmeiner‹ trinken. Und Korten mußte um zwei in die Sitzung.
    Ich fuhr um acht nach Frankfurt und flog nach
    Athen.
    Zweiter Teil
    1
    Zum Glück mag Turbo Kaviar
    m August war ich wieder in Mannheim. Ich bin im-I mer gerne in die Ferien gefahren, und die Wochen in der Ägäis lagen unter hellem blauem Glanz. Aber seit ich älter bin, komme ich auch lieber als früher wieder nach Hause. Meine Wohnung habe ich nach Klaras Tod bezogen. Gegen ihren Geschmack hatte ich mich in der Ehe nicht durchsetzen können, und so habe ich mit Sechsundfünfzig die Freuden des Einrichtens nachge-holt, die andere schon in jungen Jahren genießen. Ich mag meine zwei schweren Ledersofas, die ein Vermö-
    gen gekostet haben und auch dem Kater standhalten, das

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