Selbs Justiz
Pferde nicht scheu.«
Wie im Gespräch mit Thomas bewegte ich mich auch mit Danckelmann auf dünnem Eis. Zu direkte Fragen konnten es brechen lassen. Aber wer sich nicht in Gefahr begibt, kommt darin um. »Hat Gremlich Sie angerufen?«
Danckelmann ging nicht auf meine Frage ein.
»Ernsthaft, Herr Selb, lassen Sie die Finger von dieser Geschichte. Wir schätzen das nicht.«
»Für mich sind meine Fälle immer erst dann abgeschlossen, wenn ich alles weiß. Wußten Sie zum Beispiel, daß Mischkey noch mal in Ihrem System spazie-rengegangen ist?«
Thomas hörte aufmerksam zu und sah mich befremdet an. Sein Lehrauftragsangebot tat ihm schon leid.
Danckelmann beherrschte sich und bekam eine gepreß-
te Stimme. »Seltsame Vorstellungen haben Sie von einem Auftrag. Er ist dann fertig, wenn der Auftraggeber ihn nicht weiter bearbeitet haben möchte. Und Herr Mischkey spaziert nirgendwo mehr. Also, ich muß Sie schon bitten.«
Ich hatte mehr gehört, als ich mir hatte träumen lassen, und kein Interesse an einer weiteren Eskalation.
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Noch ein falsches Wort, und Danckelmann würde sich an meinen Sonderausweis erinnern. »Sie haben ja völlig recht, Herr Danckelmann. Andererseits geht es Ihnen doch sicher auch so, daß das Engagement in Sachen Sicherheit nicht immer an den engen Grenzen eines Auftrags haltmachen kann. Und seien Sie unbesorgt, als Selbständiger kann ich mir zuviel Einsatz ohne Auftrag nicht leisten.«
Danckelmann verließ das Zimmer nur halb versöhnt.
Thomas wartete ungeduldig darauf, daß ich ging.
Aber ich hatte noch ein Bonbon für ihn. »Um noch mal darauf zurückzukommen, Herr Thomas, den Lehrauftrag nehme ich gerne an. Ich werde ein Curriculum entwerfen.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, Herr Selb. Wir sind ja nicht aus der Welt.«
Ich verließ das Werkschutzgelände und fand mich wieder in dem Hof mit Aristoteles, Schwarz, Mendelejew und Kekulé. Auf die Nordseite des Hofs schien ei-ne müde Herbstsonne. Ich setzte mich auf die oberste Stufe einer kleinen Treppe, die zu einer zugemauerten Tür führte. Zu überlegen hatte ich reichlich.
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16
Papas Herzenswunsch
Immer mehr Puzzle-Steine fügten sich zusammen.
Doch sie fügten sich nicht zu einem plausiblen Bild.
Ich verstand jetzt, was Mischkeys Ordner war: die Sammlung dessen, was er gegen die rcw aufzubieten hatte. Eine klägliche Sammlung. Er mußte hoch gepo-kert haben, um Danckelmann und Thomas so zu beeindrucken, wie ihm das anscheinend gelungen war.
Aber was wollte er damit erreichen oder verhindern?
Die rcw hatten ihm nicht auf die Nase gebunden, daß sie nicht mit Polizei, Gericht und Gefängnis gegen ihn vorgehen wollten. Warum hatten sie Druck machen wollen? Was hatten sie mit Mischkey vor, und wogegen hatte er sich mit seinen schwachbrüstigen Andeutungen und Drohungen gewehrt?
Ich dachte an Gremlich. Er war zu Geld gekommen, hatte heute morgen seltsame Reaktionen gezeigt, und ich war ziemlich sicher, daß er Danckelmann verständigt hatte. War Gremlich der Mann der rcw im rrz?
Hatten die rcw diese Rolle zunächst Mischkey zugedacht? Wir gehen nicht zur Polizei, und Sie sorgen da-für, daß unsere Emissionsdaten immer sauber bleiben?
Einen solchen Mann zu haben, war viel wert. Das 200
Überwachungssystem würde bedeutungslos werden
und die Produktion nicht mehr beeinträchtigen können.
Aber ein Mord an Mischkey wurde durch all das
nicht plausibel. Gremlich als Mörder, der das Geschäft mit den rcw machen wollte und dabei Mischkey nicht brauchen konnte? Oder hatte Mischkeys Material doch eine Brisanz, die mir bisher entgangen war und die eine tödliche Reaktion der rcw provoziert hatte? Aber dann hätten Danckelmann und Thomas, an denen vorbei eine solche Aktion schwerlich hätte laufen können, nicht so offen über den Konflikt mit Mischkey gesprochen. Und Gremlich machte zwar mit der Lederjacke einen besse-ren Eindruck als im Safarianzug, aber nicht einmal mit Borsalino konnte ich mir ihn als Mörder vorstellen.
Suchte ich überhaupt in ganz falscher Richtung? Fred konnte Mischkey für die rcw zusammengeschlagen haben, aber auch für einen beliebigen anderen Auftraggeber, und für den konnte er ihn auch umgebracht haben.
Was wußte ich, worin sich Mischkey in seiner hoch-staplerischen Art verstrickt hatte. Ich mußte noch mal mit Fred reden.
Ich verabschiedete mich von Aristoteles. Wieder wirkten die Höfe des alten Werks ihren Zauber. Ich ging durch den Bogen in den nächsten Hof, dessen Wände
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