Selbst ist der Mensch
Wissenschaft und Technologie ermöglicht; damit hat es zwei Wege eröffnet, auf denen wir uns bemühen können, mit den Misslichkeiten und Möglichkeiten umzugehen, die durch den bewussten Zustand der Menschen freigelegt werden.
Das Selbst und die Frage der Kontrolle
Jede Diskussion über die Vorteile des Bewusstseins muss die immer stärker werdenden Indizien berücksichtigen, wonach unsere Handlungen in vielen Fällen von unbewussten Prozessen gesteuert werden. Dies geschieht sehr häufig, in allen möglichen Umfeldern und verdient besondere Aufmerksamkeit. Das Prinzip zeigt sich bei der Ausführung erlernter Tätigkeiten vom Autofahren bis zum Spielen eines Musikinstruments und ist in unseren zwischenmenschlichen Interaktionen allgegenwärtig.
Die mehr oder weniger stichhaltigen Belege für eine Mitwirkung des Unbewussten an unseren Tätigkeiten kann man schnell falsch interpretieren. Es ist leicht, den Wert einer vom Selbst gelenkten, bewussten Kontrolle herunterzuspielen, nachdem sich in zahlreichen Experimenten – angefangen bei denen von Benjamin Libet und unter Einschluss derjenigen von Dan Wegener und Patrick Haggard – immer wieder gezeigt hat, dass sich der eigene, subjektive Eindruck, wann oder wodurch eine Tätigkeit in Gang gesetzt wurde, als falsch herausstellen kann. 1 Ebenso einfach ist es, solche Befunde, in Verbindung mit den Erkenntnissen der Sozialpsychologie, als Argument für die Behauptung zu nutzen, man müsse die traditionellen Vorstellungen von der Verantwortung der Menschen revidieren. Sind wir für unsere Handlungen wirklich noch verantwortlich, wenn Faktoren, die unseren bewussten Überlegungen unbekannt sind, Einfluss darauf haben?
In Wirklichkeit ist die Situation aber viel weniger problematisch, als es nach solchen oberflächlichen, ungerechtfertigten Reaktionen auf Befunde, deren Interpretation noch umstritten ist, den Anschein hat. Erstens stehen die Existenz unbewusster Verarbeitung und die Tatsache, dass sie Kontrolle über das Verhalten gewinnen kann, außer Zweifel. Und nicht nur das: Die unbewusste Kontrolle ist eine angenehme Realität, die uns, wie wir noch hören werden, handfeste Vorteile verschafft. Zweitens stehen unbewusste Prozesse zu einem beträchtlichen Teil und auf vielfältige Weise unter bewusster Lenkung. Mit anderen Worten: Es gibt zwei Formen der Lenkung von Handlungen, eine bewusste und eine unbewusste, aber die unbewusste Lenkung kann zum Teil durch die bewusste Form geprägt werden. Kindheit und Jugend nehmen beim Menschen gerade deshalb so viel Zeit in Anspruch, weil es sehr lange dauert, die unbewussten Vorgänge im Gehirn zu erziehen und innerhalb dieser unbewussten Domäne eine Form der Lenkung zu schaffen, die mehr oder weniger zuverlässig entsprechend den bewussten Absichten und Zielen funktioniert. In dieser langsamen Erziehung kann man einen Prozess sehen, durch den Teile der bewussten Lenkung an einen unbewussten Diener übertragen werden, ohne dass aber die bewusste Lenkung unbewussten Kräften unterworfen würde, die zweifellos im Verhalten der Menschen ein großes Durcheinander anrichten könnten. Diese Ansicht wurde von Patricia Churchland überzeugend formuliert. 2
Das Bewusstsein wird durch die Tatsache, dass auch unbewusste Prozesse vorhanden sind, nicht entwertet. Vielmehr vergrößert sich damit sein Wirkungsbereich. Und wenn man ein normal funktionierendes Gehirn voraussetzt, vermindert sich die Verantwortung für eine Handlung nicht dadurch, dass manche Tätigkeiten durch gesunde, robuste unbewusste Prozesse ausgeführt werden.
Letztlich ist die Beziehung zwischen bewussten und unbewussten Vorgängen wieder einmal ein Beispiel für eine eigenartige funktionelle Partnerschaft, die sich durch die Koevolution von Prozessen ergibt. Bewusstsein und die unmittelbare, bewusste Steuerung von Handlungen konnten zwangsläufig erst entstehen, nachdem ein unbewusster Geist vorhanden war und seine Aufgaben meistens, aber nicht immer, mit guten Ergebnissen erfüllen konnte. Das Ganze war verbesserungsfähig. Das Bewusstsein wurde erwachsen, als es die unbewussten Handlungen zunächst teilweise einschränkte und dann erbarmungslos ausnutzte, um vorausgeplante, vorher entschiedene Tätigkeiten auszuführen. Die unbewussten Prozesse wurden zu einem nützlichen, bequemen Instrument für die Ausführung von Verhaltensweisen und sie verschafften dem Bewusstsein mehr Zeit für weitere Analysen und Planungen.
Wenn wir nach Hause gehen und dabei
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