Selbst ist der Mensch
Voreingenommenheiten potenziell gering halten. Die Ausführung der Entscheidungen kann schließlich mithilfe der unbewussten Verarbeitung geistiger Inhalte zu einer konkreten Fähigkeit weiterentwickelt werden; diese verborgene Aktivität unseres Geistes in Fragen des allgemeinen Wissens und Urteilens wird häufig als kognitives Unbewusstes bezeichnet. Bewusste Entscheidungen beginnen mit Reflexion, Simulation und Überprüfung im bewussten Geist; diese Prozesse können im unbewussten Geist vervollständigt und geprobt werden, bis dieser schließlich die gerade beschlossenen Tätigkeiten ausführen lässt. Sowohl die bewussten als auch die unbewussten Bestandteile dieses komplexen, empfindlichen Entscheidungs-und Ausführungsapparats können durch die Mechanismen von Wünschen und Trieben aus dem Tritt gebracht werden – in diesem Fall ist ein Veto als letzte Zuflucht in den meisten Fällen wirkungslos. Ein solches in Sekundenbruchteilen ausgesprochenes Veto erinnerte uns an eine altbekannte Empfehlung im Zusammenhang mit der Drogensucht: »Sag einfach Nein.« Eine solche Strategie mag angemessen sein, wenn man nur eine harmlose Fingerbewegung vermeiden will, aber sie eignet sich nicht zum Beenden eines Tuns, das von einem starken Trieb oder Appetit motiviert wird – und genau das ist der Fall bei einer Abhängigkeit von Drogen, Alkohol, bestimmten Nahrungsmitteln oder Sex. Erfolgreiches Neinsagen setzt eine langwierige, bewusste Vorbereitung voraus.
Die Rolle des Unbewussten bei Entscheidungen
Da unser Gehirn die neue, durch das Bewusstsein ermöglichte Steuerung erfolgreich mit der alten, unbewussten, automatischen Regulation verbunden hat, eignen sich die unbewussten Gehirnprozesse dafür, Aufgaben im Auftrag der bewussten Entscheidungen auszuführen. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich aus einer bemerkenswerten Studie des niederländischen Psychologen Ap Dijksterhuis. 4 Um die Bedeutung seiner Befunde einschätzen zu können, müssen wir beschreiben, wie die Untersuchung angelegt war. Dijksterhuis forderte gesunde Versuchspersonen auf, in zwei verschiedenen Situationen Kaufentscheidungen zu treffen. Im einen Fall setzten sie dazu vorwiegend bewusstes Denken ein, im anderen konnten sie aufgrund manipulierter Ablenkungen nicht bewusst nachdenken.
Es gab zwei Dinge zu kaufen. Das eine waren triviale Haushaltsgegenstände wie Toaster oder Handtücher, das andere große Anschaffungen wie Autos oder Häuser. In beiden Fällen erhielten die Versuchspersonen umfangreiche Informationen über das Für und Wider der einzelnen Gegenstände, eine Art Verbraucherinformation einschließlich der Preisangaben. Solche Informationen sind nützlich, wenn man sich beim Kauf für die »bestmögliche« Ware entscheiden soll. Als aber die Entscheidung anstand, gestattete Dijksterhuis einigen Versuchspersonen, die Informationen drei Minuten lang zu studieren und erst dann ihre Wahl zu treffen, während die anderen dieses Vorrecht nicht hatten und in den gleichen drei Minuten abgelenkt wurden. Für die Objekte beider Gruppen, die trivialen wie die nicht trivialen, wurden die Versuchspersonen unter beiden Bedingungen getestet – mit einem aufmerksamen, dreiminütigen Studium der Informationen und mit Ablenkung.
Welche Voraussagen würde man im Hinblick auf die Qualität der Entscheidungen machen? Einer völlig vernünftigen Annahme zufolge würden die Versuchspersonen bei trivialen Haushaltsgegenständen angesichts der geringen Bedeutung und Komplexität des Problems sowohl bei bewusstem als auch bei unbewusstem Denken eine gute Wahl treffen. Die Entscheidung zwischen zwei Toastern ist auch dann, wenn man wählerisch ist, wohl kaum besonders anspruchsvoll. Geht es aber um große Anschaffungen – beispielsweise um die Frage, welche viertürige Limousine man kauft –, so würde man damit rechnen, dass Versuchspersonen, die zuvor die Informationen studiert haben, angemessenere Entscheidungen treffen.
Die tatsächlichen Ergebnisse unterschieden sich erstaunlich deutlich von den Vorhersagen. Entscheidungen, die ohne vorheriges bewusstes Denken getroffen wurden, waren für Objekte beider Gruppen besser, insbesondere aber für die großen Anschaffungen. Oberflächlich kann man daraus folgende Schlussfolgerung ziehen: Wer ein Auto oder ein Haus kaufen will, sollte sich mit den Fakten vertraut machen, sich dann aber nicht lange mit kleinlichen Vergleichen zwischen möglichen Vor- und Nachteilen aufhalten. Man sollte es einfach
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