Selbst ist der Mensch
dieses ebenfalls zum Feuern anregt, falls das Signal den in dem zweiten Neuron vorliegenden Erfordernissen entspricht. Das elektrochemische Signal wandert vom Zellkörper des Neurons durch das Axon. Die Synapse befindet sich zwischen dem Ende des Axons und dem Anfang – in der Regel dem Dendriten – eines anderen Neurons. Zu dieser Standardbeschreibung gibt es eine Reihe geringfügiger Abwandlungen und Ausnahmen, und verschiedene Neuronentypen unterscheiden sich in Form und Größe; für einen Überblick ist eine solche skizzenhafte Beschreibung aber ausreichend. Ein einzelnes Neuron ist so klein, dass man es nur unter dem Mikroskop erkennen kann, und um eine Synapse zu sehen, braucht man ein noch leistungsfähigeres Mikroskop. Aber Kleinheit ist relativ und liegt ausschließlich im großen Auge des Betrachters. Im Vergleich zu den Molekülen, aus denen sie bestehen, sind Neuronen wahrhaft gigantische Gebilde.
Wenn ein Neuron feuert, fließt ein elektrischer Strom, das so genannte Aktionspotenzial, am Axon entlang vom Zellkörper weg. Dies ist ein sehr schneller Vorgang: Er dauert nur wenige Millisekunden und vermittelt uns damit einen Eindruck von den bemerkenswert unterschiedlichen Zeitmaßstäben der Gehirn- und Geistesprozesse. Bis wir uns eines Musters bewusst werden, das sich vor unseren Augen zeigt, brauchen wir Hunderte von Millisekunden. Gefühle erleben wir im Zeitmaßstab von Sekunden , also von mehreren Tausend Millisekunden, oder sogar von Minuten .
Wenn der abgefeuerte Impuls an der Synapse ankommt, löst er dort die Ausschüttung von Neurotransmittern aus, chemischen Substanzen wie Glutamat, die nun in den synaptischen Spalt gelangen, den Zwischenraum zwischen den beiden Zellen. Handelt es sich um ein exzitatorisches Neuron, bestimmt die kooperative Wechselwirkung vieler weiterer Neuronen mit benachbarten Synapsen, die ihre eigenen Transmitter ausschütten (oder auch nicht), darüber, ob das nächste Neuron seinerseits feuert, das heißt, ob es seinerseits ein Aktionspotenzial erzeugt, das erneut zur Ausschüttung eines Neurotransmitters führt, und so weiter.
Es gibt starke und schwache Synapsen. Ihre Stärke bestimmt darüber, wie leicht Impulse an das nächste Neuron weitergeleitet werden. Eine starke Synapse eines exzitatorischen Neurons erleichtert die Impulsweiterleitung, eine schwache behindert oder blockiert sie.
Die Stärkung von Synapsen ist ein entscheidender Aspekt des Lernens. Stärke bedeutet leichtere Impulsweiterleitung und damit eine leichtere Aktivierung der nachgeschalteten Neuronen. Von solchen Vorgängen hängt das Gedächtnis ab. Unsere Kenntnisse über die neuronalen Grundlagen des Gedächtnisses auf der Ebene der Neuronen lassen sich auf die bahnbrechenden Gedanken von Donald Hebb zurückführen: Er machte Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals auf die Möglichkeit aufmerksam, dass Lernen von der Stärkung der Synapsen und der leichteren Impulsweitergabe nachfolgender Neuronen abhängen könnte. Dazu bediente er sich rein theoretischer Überlegungen, aber seine Hypothese erwies sich später als zutreffend. In den letzten Jahrzehnten erweiterten sich die Erkenntnisse über das Lernen bis auf die Ebene der molekularen Mechanismen und der Genexpression.
Jedes einzelne Neuron tauscht seine Impulse im Durchschnitt nur mit wenigen anderen Neuronen aus, aber nicht mit den meisten und nie mit allen. Viele Neuronen treten nur mit benachbarten Zellen innerhalb relativ begrenzter Schaltkreise in Austausch; andere haben zwar Axone von mehreren Zentimetern Länge, stehen aber ebenfalls nur mit einer kleinen Zahl anderer Neuronen in Kontakt. Je nachdem, wo sich ein Neuron in der Gesamtstruktur befindet, kann es mehr oder weniger Partner haben.
Die vielen Milliarden Neuronen sind in Schaltkreisen organisiert. Manche davon sind sehr kleine Mikroschaltkreise, echte lokale Einrichtungen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Viele Mikroschaltkreise zusammen bilden jedoch eine Gehirnregion mit einem bestimmten Aufbau.
Es gibt zwei Formen einer solchen elementaren, regionalen Architektur: Kerne und Rindenfelder . In einem Rindenfeld, einem Abschnitt der Großhirnrinde, sind die Neuronen in zweidimensionalen, schichtweise übereinander gestapelten Flächen angeordnet. Viele dieser Schichten haben eine topographische Feinstruktur und eignen sich damit für eine detaillierte Kartierung. In einem Neuronenkern (den man nicht mit dem Zellkern innerhalb eines einzelnen Neurons verwechseln
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