Selbst ist der Mensch
darf) sind die Neuronen in der Regel wie Weintrauben in einer Schüssel angeordnet, von dieser Regel gibt es aber teilweise auch Ausnahmen. Die Nuclei geniculati und die Nuclei colliculi bestehen beispielsweise aus zweidimensionalen, gebogenen Schichten. Auch manche Kerne zeigen eine topographische Organisation, was die Vermutung nahelegt, dass sie ebenfalls grobe Karten erzeugen können.
Neuronenkerne besitzen ein »Knowhow«. Ihre Schaltkreise beinhalten Kenntnisse darüber, wie zu handeln oder was zu tun ist, wenn der Kern durch bestimmte Nachrichten aktiviert wird. Wegen dieses von vornherein angelegten Knowhows ist die Aktivität der Kerne für das Lebensmanagement bei biologischen Arten mit einem kleineren Gehirn, die nur eine kleine oder gar keine Großhirnrinde besitzen und nur über begrenzte Fähigkeiten zur Kartenherstellung verfügen, unentbehrlich. Unverzichtbar sind die Kerne aber auch für das Lebensmanagement in einem Gehirn wie dem unseren, wo sie für die grundlegenden Verwaltungsaufgaben verantwortlich sind – für Stoffwechsel, Reaktionen der inneren Organe, Emotionen, sexuelle Aktivität, Gefühle und auch verschiedene Aspekte des Bewusstseins. Die Regelung des Hormon- und des Immunsystems hängt ebenso von Neuronenkernen ab wie das Gefühlsleben. Beim Menschen steht die Tätigkeit der Kerne allerdings zu einem beträchtlichen Teil unter dem Einfluss des Geistes, und das heißt zu einem großen Teil – aber nicht vollständig – unter dem Einfluss der Großhirnrinde.
Was dabei wichtig ist: Die verschiedenen, durch Kerne und Rindenfelder definierten Regionen sind untereinander verknüpft. Sie bilden ihrerseits Schaltkreise in immer größerem Maßstab. Zahlreiche Felder der Großhirnrinde sind untereinander interaktiv verdrahtet, jedes Feld steht aber auch in Verbindung mit den subkortikalen Kernen. In manchen Fällen ist das Rindenfeld der Empfänger von Signalen aus einem Kern, manchmal sendet es auch solche Signale aus und manchmal ist es sowohl Empfänger als auch Sender. Von besonderer Bedeutung sind die Interaktionen mit den unzähligen Kernen des Thalamus – deren Verknüpfungen mit der Großhirnrinde in der Regel in beide Richtungen verlaufen – und mit den Basalganglien (deren Verbindungen meist entweder von der Hirnrinde abwärts oder zur Hirnrinde aufwärts verlaufen, aber nicht in beide Richtungen).
Zusammenfassend kann man sagen: Neuronenschaltkreise bilden Rindenfelder, wenn sie in parallelen Schichten angeordnet sind wie in einer Torte, und sie bilden Kerne, wenn sie (abgesehen von den zuvor erwähnten Ausnahmen) nicht in Schichten angeordnet sind. Sowohl Rindenfelder als auch Kerne sind durch »Fortsätze« aus Axonen verknüpft (die sogenannten Projektionen) und bilden Systeme sowie auf immer höheren Komplexitätsebenen Systeme aus Systemen . Wenn Bündel aus solchen Axonfortsätzen so groß sind, dass man sie mit bloßem Auge erkennen kann, bezeichnet man sie als »Leitungsbahnen«. Was die Größenordnung angeht, sind alle Neuronen und lokalen Schaltkreise mikroskopisch klein; die Rindenfelder dagegen, aber auch die meisten Kerne und alle Systeme aus Systemen haben makroskopische Ausmaße.
Wenn Neuronen die Backsteine sind, was entspricht dann dem Mörtel im Gehirn? Die Antwort ist einfach: die vielen Gliazellen, die ich bereits als Gerüst für die Neuronen im gesamten Gehirn vorgestellt habe. Auch die Myelinscheiden, die um die schnell leitenden Axone gewickelt sind, gehören zu den Gliazellen. Sie bilden für die Axone eine Schutz- und Isolationshülle, womit sie wiederum eine ähnliche Funktion erfüllen wie Mörtel. Gliazellen unterscheiden sich stark von den Neuronen: Sie besitzen weder Axone noch Dendriten und leiten Signale nicht über große Entfernungen weiter. Mit anderen Worten: Gliazellen sind nicht auf andere Zellen im Organismus ausgerichtet, und ihre Rolle besteht weder in der Regulation noch in der Repräsentation anderer Zellen. Die Nachahmungsfunktion der Neuronen ist bei den Gliazellen nicht gegeben. Dennoch geht ihre Aufgabe über die eines reinen Gerüsts für die Neuronen hinaus. Gliazellen greifen in die Ernährung der Neuronen ein: Sie speichern und liefern beispielsweise energiereiche Substanzen, und wie zuvor bereits erwähnt wurde, könnte ihr Einfluss sogar noch weiter reichen.
Mehr über die makroskopische Architektur
Das Nervensystem gliedert sich in einen zentralen und einen peripheren Teil. Der wichtigste Bestandteil des
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