Selbst ist der Mensch
oder der einzigartig-persönlichen. Diese Unterscheidung ist ungefähr vergleichbar mit der zwischen semantisch und episodisch oder zwischen generisch und kontextbezogen .
Nützlich ist es auch, die Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Gedächtnis beizubehalten, denn sie beschreibt einen grundlegenden Unterschied zwischen »Dingen« – das heißt Gebilden, die im Ruhezustand eine bestimmte Struktur haben – und der »Bewegung« der Dinge in Raum und Zeit. Aber auch diese Unterscheidung kann manchmal heikel werden.
Wie gut solche Kategorien des Gedächtnisses begründet sind, entscheidet sich letztlich danach, ob das Gehirn die Unterscheidung akzeptiert. Im Großen und Ganzen vollzieht es auf der Ebene des Abrufs die Unterscheidung zwischen einzigartigen und nicht einzigartigen Verarbeitungsebenen nach, und die Unterscheidung zwischen deklarativem und prozeduralem Gedächtnis wird sowohl bei der Konstruktion von Erinnerungen als auch bei ihrem Abruf berücksichtigt.
Eine mögliche Lösung für das Problem
Meine Gedanken über diese Beobachtungen veranlassten mich, für die neuronale Architektur ein Modell zu formulieren, mit dem sich Erinnerung und Wiedererkennen erklären lassen. 4 Dieses Modell besagt Folgendes:
Bilder können sowohl bei der Wahrnehmung als auch bei der Erinnerung erlebt werden. Die Karten, die allen jemals erlebten Bildern zugrunde liegen, in ihrem ursprünglichen Format zu speichern, wäre unmöglich. Unter anderem konstruieren die frühen sensorischen Rindenfelder ständig Karten der derzeitigen Umwelt, und sie verfügen nicht über die Ressourcen, um überholte Karten zu speichern. In einem Gehirn wie dem unseren können Karten aber dank der wechselseitigen Verknüpfungen zwischen den Gehirnarealen für Kartenerstellung und Disposition in Form von Dispositionen gespeichert werden. In einem solchen Gehirn ist die Disposition also auch ein Raumsparmechanismus für die Informationsspeicherung. Schließlich können Dispositionen auch genutzt werden, um die Karten in den frühen sensorischen Rindenfeldern in dem Format, in dem sie anfangs erlebt wurden, zu rekonstruieren.
Das Modell berücksichtigt die zuvor beschriebenen neuropsychologischen Befunde und postuliert, dass die Zellgruppen auf der obersten Ebene der Verarbeitungshierarchien keine expliziten Repräsentationen der Karten für Objekte und Ereignisse enthalten. Diese Gruppen enthalten vielmehr das Knowhow, das heißt die Dispositionen für die spätere Rekonstruktion expliziter Repräsentationen, die irgendwann einmal gebraucht werden. Mit anderen Worten: Ich bediene mich des zuvor vorgestellten einfachen Hilfsmittels der Disposition, aber dieses Mal steuert es nicht nur eine triviale Bewegung, sondern die Disposition lenkt den Prozess der Reaktivierung und des Zusammensetzens von Aspekten früherer Wahrnehmungen – unabhängig davon, wo diese verarbeitet und anschließend aufgezeichnet wurden. Insbesondere würden die Dispositionen demnach auf eine Fülle früher sensorischer Rindenfelder einwirken, die ursprünglich an der Wahrnehmung beteiligt waren. Dies würde auf dem Weg über die Verknüpfungen geschehen, die vom Ort der Disposition zurück zu den sensorischen Rindenfeldern laufen. Letztlich würde sich damit der Ort, an dem die Gedächtnisaufzeichnungen tatsächlich abgespielt werden, nicht stark von dem der ursprünglichen Wahrnehmung unterscheiden.
Konvergenz-Divergenz-Zonen
Kernstück des vorgeschlagenen begrifflichen Rahmens war eine neuronale Architektur von Verknüpfungen in der Großhirnrinde, die relativ zu bestimmten Knoten konvergente und divergente Signaleigenschaften haben. Die Knoten bezeichne ich als Konvergenz-Divergenz-Zonen (CDZs). CDZs zeichnen demnach die gleichzeitige Aktivität von Neuronen aus verschiedenen Gehirnzentren auf, Neuronen, die beispielsweise durch die Kartierung eines bestimmten Objekts aktiviert wurden. Damit die gesamte Karte des Objekts ihren Platz im Gedächtnis findet, muss kein Teil von ihr ständig in den CDZs neu repräsentiert werden. Aufgezeichnet werden muss nur das gleichzeitige Auftreten von Signalen aus Neuronen, die mit der Karte verknüpft sind. Um zu erklären, wie die ursprüngliche Karte wiederaufgebaut und damit die Erinnerung hervorgerufen wird, habe ich den Mechanismus der zeitarretierten Retroaktivierung vorgeschlagen. Der Begriff Retroaktivierung deutet an, dass der Mechanismus einen Prozess des »Zurückgehens« erfordert, um eine
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