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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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rasch wachsende Lache zwischen seinen Füßen. Noch ehe sie ihn untersucht hatte, wußte sie, daß er tot war.
    Dennoch hielt sie mit beiden Händen ihre Waffe im Anschlag, wies auf eine Zimmerecke und befahl den beiden, sich von ihrem Opfer zu entfernen. Sie gehorchten sofort, mit gesenktem Blick wie brave Kinder.
    Hanne konnte keinen Puls finden. Sie schob ein Augenlid hoch. Der Augapfel starrte sie tot und sinnlos an. Sie fing an, Handgelenke und Knöchel von den Fesseln zu befreien.
    »Wir versuchen es mit Wiederbelebung«, sagte sie verbissen zu ihrem Kollegen. »Hol den Erste-Hilfe-Koffer.«
    »Ich war es«, sagte Finn Håverstad plötzlich in seiner Zimmerecke.
    »Nein, ich!« Kristine Håverstad hörte sich verzweifelt an. »Er lügt! Ich war es!«
    Einen Moment lang drehte Hanne Wilhelmsen sich um und musterte die beiden genauer. Sie empfand keinen Zorn. Nicht einmal Resignation. Nur abgrundtiefe, überwältigende Traurigkeit. Sie sahen genauso aus wie bei der ersten Begegnung in ihrem Büro. Mit einem hilflosen, von Trauer erfüllten Gesichtsausdruck, der bei dem riesigen Mann auffälliger war als bei seiner Tochter.
    Kristine Håverstad hielt noch immer das Messer in der Hand. Ihr Vater hatte eine Pistole.
    »Legt die Waffen weg«, sagte sie fast freundlich. »Dahin!«
    Sie zeigte auf einen Glastisch am Fenster. Danach machten sie und Kollege Salomonsen sich an einen restlos vergeblichen Wiederbelebungsversuch.

DONNERSTAG, 10. JUNI
    Der Kalender hatte sich wieder beruhigt. Endlich. Eine der Jahreszeit angemessene leichte Wolkendecke hing über Oslo, und die Temperatur lag bei fünfzehn normalen Junigraden. Alles war, wie es sein sollte, und die Bevölkerung nahm sich die Zeit, sich darüber zu freuen, daß das Unwetter nicht ganz so große Verwüstungen angerichtet hatte wie zuerst angenommen.
    Im Polizeigebäude auf Grönland saß Hanne Wilhelmsen in der Kantine. Sie war blasser als alle anderen. Ihr war schlecht. Sie hatte in vier Tagen nur zwei Nächte geschlafen. Bald würde sie nach Hause gehen. Der Abteilungschef hatte ihr befohlen, übers Wochenende wegzubleiben. Mindestens. Und er hatte sie aufgefordert, sich um den Posten einer Hauptkommissarin zu bewerben. Was sie absolut nicht vorhatte. Heute jedenfalls nicht. Sie wollte nach Hause.
    Håkon Sand dagegen wirkte ungewöhnlich zufrieden. Er lächelte gedankenverloren vor sich hin, riß sich aber zusammen, als ihm aufging, daß Hanne Wilhelmsen einem physischen Zusammenbruch näher war, als er das je erlebt hatte.
    Die Kantine lag im sechsten Stock und bot eine phantastische Aussicht. Ganz hinten auf dem Oslofjord strebte die Fähre aus Dänemark dem Land entgegen, beladen mit Rentnern, die wesentlich mehr dänische Wurst und Schinken gebunkert hatten, als erlaubt war. Der Rasen vor dem Haus wimmelte nicht mehr von Menschen, nur hier und dort blickte ein Optimist erwartungsvoll zum Himmel, ob die Sonne nicht bald zurückkommen wollte.
    »Einmal muß ja das erste Mal sein«, sagte Hanne Wilhelmsen und rieb sich die Augen. »Und bei unserem dauernden Versagen war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann jemand die Sache selbst in die Hände nehmen würde. Das scheußliche ist …« Sie unterbrach sich und schüttelte den Kopf. »Das scheußliche ist, daß ich sie verstehen kann.«
    Håkon Sand sah sie sich genauer an. Ihre Haare waren ungewaschen. Ihre Augen waren weiterhin blau, aber der schwarze Ring um die Iris wirkte breiter, schien sich zur Pupille durchzufressen. Ihr Gesicht wirkte geschwollen, und ihre Unterlippe war in der Mitte gesprungen, so daß ein dünner Streifen geronnenen Blutes die Lippe zerteilte.
    Sie kniff im hellen Junilicht die Augen zusammen und behielt die Fähre im Blick. Es gab so viele Fragen, auf die sie keine Antwort erhalten hatte. Wenn sie das Haus in Bærum nur fünf Minuten früher erreicht hätten. Nur fünf Minuten! Höchstens.
    »Woher hat er zum Beispiel das ganze Blut gehabt?«
    Håkon Sand zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Mich interessiert etwas ganz anderes«, sagte er abwehrend und sah sie mit schlauem, erwartungsvollem Blick an, in der Hoffnung, sie würde fragen, wovon er redete.
    Aber Hanne Wilhelmsen war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, und die Fähre hatte nun leichte Probleme mit einem kleinen Frachter, der auf sein Vorfahrtsrecht pochte. Sie hatte Håkon überhaupt nicht zugehört.
    »Sie werden damit wahrscheinlich durchkommen«, sagte er etwas zu laut und mit einer Spur von

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