Selina - Liebesnaechte in Florenz
schonen. In diesem Fall jedoch tat der Großvater nichts dazu, um zu verhehlen, dass es sich um ein reines Geschäft handelte. „Reist Barenza viel?“ fragte Francoise mühsam. Fiorina war von der kargen Reaktion ihrer falschen Nichte enttäuscht gewesen,sprach jetzt jedoch sofort weiter. Offenbar war Alessandro di Barenza ein Thema, das ihr am Herzen lag. „Oh ja“, erwiderte sie lebhaft. „Er ist sehr viel unterwegs, kommt nur alle paar Wochen in die Stadt um seine Freunde zu besuchen und seine Mutter, die etwas außerhalb, in Fiesole, lebt. Er ist überall sehr beliebt und ein guter Freund des Magnifico.“
„Magnifico?“ fragte Selina, weil Francoise sichtlich Mühe hatte, das Gehörte richtig zu verstehen.
„Lorenzo di Medici, der über Florenz herrscht“, erwiderte Fiorina freundlich. „Man nennt ihn allgemein den ‚Magnifico’, weil er so prächtig zu leben versteht und die schönen Künste fördert.“
„Und Alessandro Barenza ist mit ihm befreundet?“ fragte Selina weiter.
„Aber ja! Man sagt, die beiden kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Dann jedoch schloss sich Alessandro dem Soldatenverband eines condottiere, eines Feldherren, an und war viele Jahre fort. Man dachte schon, er sei ums Leben gekommen, aber vor etwa einem Jahr kam er wieder in die Stadt.“ Fiorina war glücklich, in der Gesellschafterin ihrer Verwandten jemanden gefunden zu haben, der ihre Sprache verstand und ihr Interesse teilte.
Selina betrachtete sie aufmerksam. Fiorina war noch sehr jung, vermutlich kaum so alt wie sie, ihr Oheim jedoch nur ein Jahr jünger als ihre verstorbene Mutter. Vermutlich hatte er sich dieses halbe Kind gekauft. So wie sein Vater nun einen Mann für seine Enkelin kaufen wollte.
„Ach, halb Florenz beneidet Eure Herrin um diesen schmucken Bräutigam!“ sprach die junge Frau weiter.
„Das hat sich wohl schon herumgesprochen?“
„Aber gewiss doch! Schon seit der Vater den Brief an Selina gesandt hat. So etwas bleibt in einer Stadt wie Florenz nicht lange verborgen. Man kann weder vor den Bediensteten noch vor den Nachbarn etwas geheim halten. Und dann wurde es ja auch ausführlich in der Familie besprochen, wie alle wichtigen Dinge.“ Sie kam etwas näher und beugte sich vertraulich zu Selina, „Seit der Vater meines Mannes herausgefunden hat, dass Alessandro große Summen beim Würfelspiel verloren hat – mehr als sich ein Mann leisten kann, dessen Einkommen so gering ist wie das des Grafen – hatte er diesen Plan. Mein Vetter Andrea, der im Kreis von Alessandro verkehrt, hat dann die ersten Beziehungen zwischen ihm und uns hergestellt. Ich weiß nicht, was zwischen ihnen besprochen wurde, aber Alberto, mein jüngerer Bruder, war damals zu Besuch. Und er hat durch das Fenster gesehen, dass der Graf nur den Kopf geschüttelt und gelacht hat, bis mein Schwiegervater ihm Selinas Bild gezeigt hat. Der Graf hat es eine Weile betrachtet und ist dann wieder gegangen – mit dem Bild!“ Sie warf einen raschen Blick auf Francoise, die sich mit zusammengekrampften Händen auf eine der Betttruhen gesetzt hatte. „Dabei war dieses Bildnis nicht besonders schmeichelhaft. Ganz im Gegenteil, ich finde meine Base bei weitem hübscher. Auch fehlte dem Bild die Sanftmut, die sie in ihren Augen hat, und die einer jungen Frau wohl ansteht. Der Maler hat sie bei weitem zu… keck dargestellt.“
Nachdem Fiorina gegangen war, setzte sich Selina neben Francoise auf das Bett, tätschelte ihr beruhigend die Hand und dachte über das Gehörte nach. Der ihr zugedachte Ehemann hatte nach der Erzählung von Fiorina nicht gewonnen, sondern noch verloren. ‚Schmucker Bräutigam’ hatte ihn ihre junge Tante genannt. Nun, Selina kannte diese eitlen Gecken zur Genüge, die aufgeputzt wie die Pfauen umherstolzierten und sich von allen bewundern ließen. ‚ Meinethalben kann er einige Monate fort bleiben’ , dachte sie zufrieden, während sie einem kleinen gefiederten Sänger lauschte, der in einem Käfig saß, den jemand aus einem Fenster auf der anderen Seite des Hofes gehängt hatte. ‚ Je länger er seinen Vergnügungen nachgeht, desto mehr Zeit habe ich, alle die Herrlichkeiten zu genießen, die diese Stadt zu bieten vermag.’
Die Familie und das Haus
S elina und ihre Freundin brauchten nicht lange, um sich einzuleben. Im Haus war es niemals langweilig und selbst wenn Selina und Francoise sich in ihr Schlafzimmer zurückzogen, um dem Trubel zu entgehen, gab es immer noch genügend Besucher -
Weitere Kostenlose Bücher