Sellavie ist kein Gemüse
Stadt, daß sich vor einem Jahr die Einzelhändler zusammengetan haben, um einen Leierkastenmann zu engagieren. Der kurbelt seither das ganze Jahr, sobald sich irgendwo eine kleine Ansammlung von Menschen gebildet hat, sein Repertoire von Lily Marleen bis zum Hamburger Veermaster ab. Ist doch nett sowas.
Leider kommt er auch gern beim Eiscafe vorbei und beim vierundfünfzigsten „Ho-Boys-Ho“ kommt man dann doch ins Grübeln. Aber das muß verkraftet werden. Das ist der Preis für die Lebensqualität. Schwerer zu verkraften sind die Musikvereine, die jeden Sonntag aufspielen. Zwar intonieren sie schon mal ein Stück von Bizet, aber sie halten es für „Schöne Maid“ oder sowas ähnliches. Es klingt jedenfalls wie Schöne Maid. Und dann das ganze volkstümliche Blech rauf und runter. Es geht bis zu (gelungenen) Vergewaltigungsversuchen von „In The Mood“.
Ach, wenn es doch nur ausschließlich an Sonntagen wäre, das ginge ja noch. Leider aber treten sie, in Konkurrenz miteinander und bei jeder Gelegenheit zu tonaler Verunzierung der Atmosphäre bereit, bei allen sich bietenden Gelegenheiten in Erscheinung. Honoratiorengeburtstag, Ladenjubiläum, Eröffnung eines neuen Teilabschnitts der Fußgängerzone, Stadtfest, Annafest, Weinfest, Flohmarkt, Oldtimertreffen, Erster Mai, Vatertag, Muttertag undsoweiter undsoweiter. Gerne auch gleichzeitig, nur durch eine, natürlich schalldurchlässige, Häuserreihe voneinander getrennt.
Sonntags böte das Thermopane ja noch ausreichenden Schutz. Man muß ja nicht rausgehen. Aber werktags? Schließlich gehen einem auch mal die Zigaretten aus.
Ein Mensch, der Musik liebt, kann nicht weghören. Auch und gerade, wenn es sich um Musik handelt, die er ganz und gar nicht liebt. Die einmal errungene Sensibilität ist nicht mehr einfach abschaltbar , wenn sie mal ungelegen kommt. Und ein Mensch, der Musik liebt, kann nicht asynchron zum Takt der Märsche, Polkas und Schlager gehen . Das kann ein musikalischer Mensch nicht! Wer einmal ein Gehör hat, der geht auch im Takt.
Wenn mit Blaskapellen zu rechnen ist, nehme ich regelmäßig eine der weniger frequentierten Straßen hintenherum. Da sieht es wenigstens keiner.
Ich freue mich diebisch über jeden Landregen.
Trost und verwandte Sportarten
Der Sensible und das Männermagazin
Daß ich nichts gegen Frauen habe, versteht sich von selbst. Aber, das klingt jetzt vielleicht komisch, gerade deshalb hab’ ich was gegen Frauen in bestimmten Positionen. Zum Beispiel hab’ ich was gegen Frauen als Zeitschriftenverkäuferinnen. Da wär’ ich jetzt für die Quotenregelung. Als Hinführung zur Reduktion des Frauenanteils. Ausgerechnet hier aber sind sie überrepräsentiert. Am Kiosk wäre der Mann gefragt. Dann hätte man die Chance, beim Kauf von, sagen wir mal „problematischer“ Lektüre, an einen verständnisvollen Geschlechtsgenossen zu geraten. Oder sollte ich lieber Geschlechtskomplize sagen?
Wann sieht man mal einen Mann in einem Zeitungskiosk? Kann man an einer Hand abzählen. Schreinerhand. Alter Schreiner. Drei Finger Maximum.
Das hier ist jedenfalls schon der dritte Kiosk, an dem ich mir den Anschein gebe, das Zeitungsangebot zu studieren. Das ziellose Stöbern im Angebot des Hoteltresens nicht mitgerechnet. In Wirklichkeit studiere ich die Verkäuferinnen. Die ersten beiden sahen zu nett aus. Die zweite ähnelte sogar meiner Schwägerin. Doch, sie hatte was von ihr. Diese hier hat wenigstens was von Anneliese Rothenberger, das
verlagert den seelischen Konflikt mehr so aufs Mutter-Sohn-Gebiet. Von Müttern kann man eher Verständnis für gewisse unterleibliche Schwächen erwarten. Die sind immer auf Seiten ihrer Söhne. Sie halten niemals zu deren Frauen. Außerdem hat man Mütter inzwischen überwunden. Oder hat die eher was von Carolin Reiber? Margret Thatcher, Annemarie Renger, Renate und Werner Leismann? Egal, sie geht auf jeden Fall mehr ins Klinisch-Praktische. Vom Typ her. Aber auch sie hat die Herrenmagazine nicht vorn in der Auslage, sondern von innen gegen das Fenster geklemmt. So daß jeder laut und deutlich sagen muß: „Ich hätte gern dieses frauenverachtende Vergewaltigerblatt hier.“
Warum tun die das? Aus christlich-moralischen Gründen, oder eher frauenbewegt? Wollen die jedem ins Gesicht sehen, der sowas kauft? Womöglich noch laut den Titel des Magazins wiederholen, damit die Umstehenden auch was davon haben? Entsetzlich. Oder machen sie heimlich Statistiken? Ein Mann, ein Mann, ein
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