Sellavie ist kein Gemüse
im Raum. Wahnsinnig intensiv.“
Ich hole mir einen anderen Kunstband aus dem Regal, denn geschlachtete Hühner und Räume voller Brot geben mir im Augenblick nicht so viel. Die Freundin erzählt jetzt von einer weiteren Installation, oder sei es ein Environment gewesen, sie wisse noch nicht genau den Unterschied von Installation und Environment … Ich sage: „Wenn ein Fernseher drin vorkommt, ist es ein Environment, nackte Frauen, Rezitationen und Geigen deuten auch auf Environments hin, wohingegen eine Installation eher so eine Art Innenskulptur mit allenfalls kinetischen, aber nie theatralischen Elementen darstellt. Was jetzt allerdings nicht heißen soll, daß das Wohnzimmer hier eine Verbindung aus Installation und Environment darstellen würde. Höchstens, Sie nehmen Eintritt und versichern es hoch.“
Ich bin wieder ein Kaninchen geworden. Ein unbotmäßiges, das man jetzt endgültig vor die Alternative stellt, entweder in die Wissenschafts- oder in die Kochtopfgeschichte einzugehen. Auf jeden Fall aber einzugehen. Ich glaube, ich wackle sogar mit den Ohren.
„Möchtest du nicht schon vorausgehen?“ fragt meine Frau.
„Doch“, sage ich „und vielen Dank für den netten Abend“, nehme meine Jacke und atme draußen die befreiend kühle Abendluft. Ich werde vorausgehen, und zwar viel weiter als sie denkt.
Zuhause packe ich mein Waschzeug und nehme die Klimt-Reproduktion von der Wand. Der Kuß. Hat sie mir zum Geburtstag geschenkt. Fand sie so toll . Als ich bei Werner klingle, öffnet er zwar mit muffigem Gesichtsausdruck, aber ich weiß, daß er sich freut. Hat mir immer wieder angeboten, bei ihm zu wohnen. Werner ist Maler. „Was soll der Scheiß in meinem Haus?“ fragt er mit Blick auf den Klimt.
„Das ist kein Scheiß“, sage ich, „aber wenn du willst, schmeißen wir’s weg.“ Ich stopfe den Druck in einen seiner großen Papierkörbe und er lächelt beifällig, während er eine Flasche Chianti entkorkt.
„Ich müßte morgen mal deinen Bruder sprechen“, sage ich. Sein Bruder ist Anwalt.
„Im Bad läuft kein Wasser, das mußt du aus der Küche holen“, ruft er mir später hinterher. „Die Installation in diesem Haus ist die reinste Katastrophe.“
Karl-Heinz und Bobby McGee
Der ausgestiegene Lehrer
Freedom’s Just Another Word for Nothing Left to Loose – die Kassette hat mich begleitet vom Käfer in die Ente, vom Peugeot 404 in den VW-Campingbus. Erst kürzlich hab’ ich noch für Moni eine Kopie gezogen. Auf dem Doppelrecorder meines Sohnes. Sind ja auch die andern Hymnen drauf. Whole Lotta Love, Street Fighting Man, Jailhouse Rock und Nights in White Satin. Allerdings frißt der Recorder in Monis Panda reihenweise Bänder, man weiß also nicht, wie lang das Kleinod halten wird. Jedenfalls, es war ein langer Weg.
Ich hätte damals sogar fast Berufsverbot gehabt. Aber ja! Wenn ich’s doch sag’. Es ist nur deshalb nicht so weit gekommen, weil dieser RCDS-Spitzel sogar für einen Systemknecht zu dämlich war. Hat einfach „Schmitt“ notiert, als am KBW-Stand die Aufrufe gegen die Isolationsfolter verteilt wurden. Und Schmitt hießen zufällig sechs Leute in meinem Fachbereich. Tja, Pech für den Verfassungsschutz. Mein Gott, der harte Kern vom Asta, wie lang ist das her.
Seit vierundachtzig kann mich jedenfalls der Staat im allgemeinen und das Kultusministerium im besonderen. Kreuzweise. Aber voll. Und die Blagen erst recht. Die waren ja letztlich das Schlimmste am ganzen Beruf. Blöd wie sonstwas, schon total vereinnahmt vom System und dann noch nicht mal in der Lage, ihren Fürsprecher, jawohl Fürsprecher, den Sachwalter ihrer ureigensten Interessen zu erkennen. Genervt haben sie mich, Streiche, Krach und blasierte Spielchen veranstaltet. Mit ihren Popper-Golfs meinen Wagen in den Dreck geschoben, bloß weil ihnen die Aufkleber nicht paßten. Als hätte sich nichts geändert. Als wäre ich genauso wie meine Lehrer damals . Das war noch Rebellion. Gegen das menschenverachtende Schulsystem mit seinem Leistungs- und Anpassungsdruck. Klar, das Schulsystem ist nicht sooo viel besser geworden, aber ich war doch auf ihrer Seite. Diese Deppen haben nichtmal bemerkt, daß ich auf ihrer Seite war. Haben mich einfach behandelt, als wäre ich einer der üblichen Lehrplandurchpeitscher und Ferienabwarter. War ich doch gar nicht. War mit ihnen in der Disco, hab mit ihnen Arbeitsgruppen gemacht. In meiner Freizeit. Na ja, jedenfalls konnten sie nicht wissen, daß ich mir die Zeit
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