Sellavie ist kein Gemüse
Königreich für einen Mann. Ich würde jederzeit ein paar Mark mehr bezahlen, allein dafür, daß mich ein Mann bedient. Ich würde sogar ein verständnisvolles Augenzwinkern hinnehmen, oder ein gemurmeltes „unrasiert und fern der Heimat, was?“ Obwohl ich, was dieses Thema betrifft, kein Freund von Verbrüderungen bin.
Eine Verkäuferin würde zwar bestimmt keine Bemerkung machen, aber wer weiß schon, was sie denkt? Vor allem ließe sie sich garantiert nicht täuschen, wenn ich jetzt gleich drei Zeitschriften nähme. Ambiente, Auto-Motor-Sport und dann noch diese hier. Keine Chance. Der durchdringende Blick oder das Häkchen auf der Statistik wäre mir sicher. Und selbst, wenn sie mich nicht ansähe. Ich wüßte doch, daß sie Bescheid weiß. Den völlig Naiven zu spielen, hat keinen Sinn. „Haben Sie diese Zeitschrift, Soundso, oder wie die heißt“, das nützt nichts. Diese Frauen sind mit allen Wassern gewaschen. Machen den ganzen Tag nichts anderes als Marktforschung.
Jetzt hab’ ich die Idee! Ich nehme alle auf einmal. „Geben Sie mir die und die und die und, ach ja, da ist ja noch so eine, die bitte auch.“ Nun muß sie denken, ich mache eine vergleichende Untersuchung oder sowas. Genial.
Aber jetzt hab’ ich vier Stück von diesen Dingern. Die passen kaum ins Attaché-Case. Hätte ich doch den Pilotenkoffer mit Geheimfach genommen. Kein Bedarf, hab’ ich damals gedacht, jetzt hab’ ich den Bedarf. Und was ist, wenn ich nachher was rausnehmen muß? Was denken die anderen Tagungsteilnehmer, wenn sie aus den Augenwinkeln meine ganze Sammlung von Miss-Hochglanz-Blättern aus dem Koffer quellen sehen? Ich hab’ keine andere Wahl. Ich finde garantiert keinen unbeobachteten Papierkorb, der mir den Überschuß gnädig abnehmen könnte. Muß vor dem Vortrag nochmal ins Hotel. Hoffentlich treffe ich wenigstens keinen Kollegen unterwegs, denn was könnte ich schon vergessen haben, daß ich in die falsche Richtung gehe. Zehn Minuten vor Beginn der Veranstaltung.
Und dieser ganze Streß bloß wegen des Interviews mit laccocca. Darum geht es mir nämlich in erster Linie. Und der literarische Teil soll auch nicht schlecht sein. Die Bilder jedenfalls, die überblättere ich eh. Zumindest außerhalb des Hotelzimmers. Die Gideons-Bibel bietet nur anderen Trost.
Und was denkt das Zimmermädchen, wenn sie morgen die Nachttischschublade öffnet? Zumindest wird sie diesen koketten Augenaufschlag von heute vormittag innerlich wieder zurücknehmen. Und alles, was sie damit in mir an erregenden Vorstellungen ausgelöst hat. Und wer kriegt eigentlich die Meldezettel zu Gesicht?
The Bier und Bargeld Stompers
Der mit der Honorarforderung
Es ist jedes Jahr dasselbe. Mitte Oktober klingelt das Telefon und es meldet sich ein Herr Faller vom Kulturamt Sprockhövel oder ein Herr Sagldinger von der Passauer Volkshochschule. Kann auch ein Herr Wilmersen aus Eckernförde oder Eisele aus Plattenhardt oder alle vier sein. Es ist auf jeden Fall immer ein Herr und immer eine kulturelle Einrichtung der öffentlichen Hand. Die öffentliche Hand zittert aus Furcht vor Entzug. Der Kulturetat, mit dem man dieses Jahr wieder ein bißchen zu restriktiv umgegangen ist, da man nicht wußte, ob die Jugendgruppe aus der Partnerstadt den Theater-, Zoo- und Schwimmbadbesuch nun vom Verkehrsamt oder vom Kulturamt bezahlt kriegt, und dann hat aber der örtliche Industrielle mit Blick auf Europa kurzentschlossen die Mäzenatenschaft übernommen, und außerdem ist die „Nacht der Poeten“, wegen eines Einspruchs der Freien Wähler, ausgefallen, also der Kulturetat jedenfalls muß jetzt noch verbraucht werden, sonst wird er fürs nächste Jahr nicht in derselben Höhe bewilligt.
Ich bin Jazzmusiker. Die Stunde der Jazzer schlägt immer um Mitte Oktober herum, wenn sich der Kulturbeauftragte fragt, was er dieses Jahr noch nicht hatte. Bauchtanz, Dichterlesung, Töpferkurs und ein Rockkonzert mit Alphaville haben allesamt schlecht besucht, aber gut bezahlt, stattgefunden. Was fehlt ist, wie immer, noch Jazz für dieses Jahr.
Als Jazzmusiker gibt man sowieso mindestens Unterricht, besser noch ist es, man hat einen „richtigen“ Beruf, um sich die Musik leisten zu können. Wenn man einen richtigen Beruf hat, legt man tunlichst den Urlaub auf November, denn bis einen das Goethe-Institut mal nach Asien schickt, kann man lange warten. Der November ist der Monat des Etat-Verbratens, und ich habe aus Erfahrung vor vier Jahren mein Trio
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