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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Gespräch; sie wirkte, als sei sie aus dem Reich des Todes zurückgekehrt.
    Danach begann er das Geld aufzutreiben.
     
    » K ein Koffer?«, fragte Koslowski. Er saß in der Wohnlandschaft des Semmlerschen Anwesens vor dem Designtisch, der jüngsten Erwerbung Ursulas. Er war unregelmäßig geformt, mit Zacken, eine Metall-Holz-Glaskonstruktion; man konnte von dem Tisch nicht essen, nur mit Mühe ein Glas darauf abstellen. Aber er war geeignet, fünfhunderttausend Euro drauf zu legen. Nur die Verpackung störte. Eine Plastiktasche vom »Interspar«. Koslowski schaute hinein. Sie war voll gestopft mit Geld. Alle möglichen Scheine. Große, kleine.
    »Sieht komisch aus«, sagte er, »wie Altpapier«.
    »Die haben das so verlangt«, sagte Semmler. »Ein Intersparsack und alle Sorten ... es muss aber nicht genau sein ...« Semmler wirkte geistesabwesend. Er war grau im Gesicht. »War das so schwer?«, Koslowski deutete auf das unförmig aufgeblähte Behältnis.
    »Nein, nein, es ging, es ist nur ... ich sag dir ganz ehrlich, ich bin am Ende meiner Kräfte, das Ganze ist ... wie soll ich sagen ...«
    »... nicht leicht.«
    »Nein, nicht leicht.«
    »Wegen des Geldes?«
    »Nein, wegen der Situation hier, solang Karin nicht wieder ... ach, ich weiß nicht ...«
    Er ließ sich auf das andere Sofa fallen.
    »Wie geht es ...« Koslowski deutete nach oben, wo er Ursula vermutete.
    »Schläft. Sie nimmt jetzt starke Mittel. Ohne kann sie überhaupt nicht mehr ...« Er verstummte.
    Koslowski räusperte sich. Seine Stimme war ganz ruhig. »Reiß dich zusammen«, sagte er. »Es dauert nicht mehr lang ...«
    »So oder so ...«
    »Nein, verdammt noch mal! Nicht so – oder so! Sondern nur – so. Verstehst du? Es existiert nur eine Variante. Ich mach die Übergabe, dann hol ich Karin ab. Fertig. Ende der Vorstellung!«
    »Du hast Recht.« Semmler seufzte tief auf, erhob sich. Er hat Mühe, aufzustehen, dachte Koslowski. Er ist gealtert. In wenigen Tagen deutlich.
    »Also, du machst es?«, fragte Semmler.
    »Herrgott, wie oft soll ich das noch sagen? Ja, ich mach’s! Ich bin nicht begeistert, aber ich mach’s. Wenn die das schon verlangen ...«
    »Ausdrücklich!«
    »Aber nicht ausdrücklich mich, oder?«
    »Nein, ein Vertrauter, haben sie gesagt, aber keine Frau.«
    »Ich weiß nicht, was das für einen Sinn haben soll, dass du nicht selber gehst ...«
    »Die beobachten mich, ich sag dir, die haben irgendwie das ganze Haus unter Kontrolle ...«
    »Ja, ja, glaub ich alles. Aber warum verlangen sie das?«
    »Ich weiß es doch nicht, ich weiß es wirklich nicht ...«
    »Und warum nicht dieser Dr. Wurtz?«
    »Der steht doch unter dem Pantoffel! Der könnte das nicht für sich behalten, nach fünf Minuten wüsste es seine Frau – und alles wäre verloren.«
    »Also schön. Dann geh ich jetzt.« Koslowski stand auf, nahm den Plastiksack an sich.
    »Du fährst direkt heim, oder?«
    »Nein, ich geh ins Kino und dann zieh ich die halbe Nacht um die Häuser, damit ich daheim garantiert nicht erreichbar bin – Herrgott, reiß dich zusammen, ich mach das alles wie besprochen. Ich fahr heim und warte aufs Telefon. Ich ruf dich dann an.«
    Semmler lächelte. Zum ersten Mal seit Tagen.
    »Es wird schon«, sagte Koslowski. »Es wird schon.« Er ging hinaus.
    Den Plastiksack legte er auf den Beifahrersitz.
    Es kam nun darauf an, dass alles so ablief, wie es ablaufen müsste. Wenn alles wahr wäre. Koslowski musste sich so verhalten, wie er sich verhalten würde, wenn es einen Entführer gäbe – in gewissen Sinn gab es den ja auch, nämlich ihn selber, obwohl man kaum von Entführung sprechen konnte, wenn das Opfer mitmachte ... es fiel ihm schwer, die Sache von zwei Seiten zu betrachten. Wie ein Schachspiel gegen sich selbst. Ungesund, steril. Er musste handeln wie der besorgte Vater und wie der abgefeimte Kriminelle, gleichzeitig.
    Also fuhr er heim, weil der besorgte Vater das getan hätte. Inzwischen war es dunkel geworden, der Himmel hatte sich zugezogen, es roch nach Regen. Für die Übergabe war esideal. Die Entführer waren vorsichtig, Profis eben. Um eins riefen sie ihn an. Es war wie beim Solokabarett, wenn einer alle Rollen spielt. Als Entführer rief Koslowski mit einem Kartenhandy bei Koslowski an. Als besorgter Vater nahm Koslowski ab und sagte »Ja?«. Als Entführer sagte Koslowski durch den elektronischen Verfremder: »In fünf Minuten Autobahnparkplatz Dornbirn, Richtung Bregenz. Leg das Paket auf die zweite Bank und fahr.«

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