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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Dann legte der Entführer auf. Koslowski, der besorgte Vater, wollte noch etwas fragen, seufzte nur und drückte den Aus-Knopf.
    Die Akustik auf beiden Handys gleich, die Stille des Heizungskellers. Die Heizung war aus. Das Entführerhandy hatte er mit der linken Hand bedient, das Besorgter-Vater-Handy mit der rechten. Sogar die Symbolik stimmte. Im Solokabarett hätte es der Solodarsteller genau so gemacht. Nur hätte bei dieser Nummer das Publikum nicht gelacht, wahrscheinlich nicht, es war nicht so lustig irgendwie. Aber beim anspruchsvollen Kabarett sollte sowieso nicht dauernd gelacht werden. Und Publikum gab es nicht.
    Er nahm den Sack und fuhr bei Dornbirn-Süd auf die Autobahn Richtung Deutschland, bog dann, wie es die verfremdete eigene Stimme befohlen hatte, einen Kilometer weiter auf den Parkplatz ein. Neben der zweiten Bank hielt er an. Der Parkplatz war leer. Wäre er es nicht gewesen, hätte Koslowski die Toiletten aufgesucht, wäre dann weitergefahren. So fuhr er gleich weiter. Den Intersparsack behielt er im Auto.
    Als er bei Dornbirn-Nord die Autobahn verließ, drängte sich der Gedanke auf, den er den ganzen Tag über in den Hintergrund geschoben hatte. Dass diese ganze Aktion eine Schnapsidee war, ein Unfug reinsten Wassers, wie sie nureinem vollständig versoffenen Gehirn entsprang. Unheimlich daran war, dass er sich selbst auch bei Anlegung strengster Maßstäbe nicht als Trinker einordnen konnte, geschweige denn als Alkoholiker. Der Plan stammte von einer romantisch gestimmten Sechzehnjährigen, die das Unrecht wiedergutmachen wollte, das ihrem Ziehvater geschehen war; jedes Mal, wenn er diesen Aspekt bedachte, wuchs ihm ein Kloß im Hals – aber die Durchführung: trug sie Merkmale eines erwachsenen, analytischen Verstandes? Wohl kaum. Was hatte er denn geplant? Genau nichts. Das innovativste Element war der elektronische Verzerrer gewesen, den er vor Jahren bei einer Secondhand-Messe in Friedrichshafen aufgegabelt hatte. Es war anzunehmen, dass die Rückverfolgung dieses Teils aus der Analyse der Sprachaufzeichnung schwierig bis unmöglich war – wahrscheinlich, aber nicht sicher. Die Gerissenheit des Dr. Koslowski, dachte er, erschöpft sich aber schon in der Verwendung dieser Bastelei; klar: Woher sollte ein Normalbürger auch all die Spezialisten kennen, die zur Durchführung so eines Vorhabens unerlässlich waren? Wenn es darum gegangen wäre, etwas zu sprengen, oder ein Giftgas herzustellen, dann hätte er selber mit Literaturrecherche und ein bisschen Nachdenken behilflich sein können, aber beim Spezialthema »Geldübergabe« war er ein ebenso blutiger Laie wie nur irgendein anderer, der diese Dinge auch nur aus dem Fernsehen kannte. Und diese Kenntnis war keine Hilfe. Denn je nach Genre des Krimis gehen die Übergaben durch eine Kombination aus dummen Zufällen und menschlichem Versagen schief oder sie erfordern einen verwickelten Ablauf von Weitergaben und Benutzung diverser Massenverkehrsmittel, was in Dornbirn alles nicht zu haben war: woherhätte er hier eine U-Bahn nehmen sollen? Oder Bandenmitglieder?
    Er gestand sich ein, dass er sich bis zum Anruf mit der Fünfhunderttausender-Forderung keine Gedanken über den weiteren Verlauf gemacht und sich danach auf den ersten Einfall versteift hatte, der ihm gekommen war. Den denkbar idiotischsten, den Autobahnparkplatz. Der war auf der Ostseite gegen den Wald durch einen halbhohen Maschendrahtzaun abgegrenzt – einen von der Art, wie ihn Kräfte des Spezialkommandos in eleganter Flanke zu überspringen pflegen, nicht sichtbar durch Schnellfeuerwaffen, Panzerwesten und elektronischen Krimskrams gehindert, den sie bei sich tragen. Was war das für eine bescheuerte Idee, wie war er darauf verfallen? Wer durch den Wald kam, um das Paket abzuholen, lief den Spezialkräften in die Hände, sonst konnte der Parkplatz nur auf die gewöhnliche Art erreicht werden, von der Autobahn aus. Nichts anderes als eine verdammte Falle – wenn also die Entführer selbst so etwas Hirnverbranntes vorschlugen, war es ein Ablenkungsmanöver, überlegte sich Koslowski, und die Einsatzleitung würde nicht erstaunt sein, dass niemand kam, um das Paket abzuholen, das im Übrigen auch gar nicht abgestellt worden war, weder unter der zweiten Bank noch einer anderen. Weil besagter Koslowski übers Handy im letzten Augenblick einen anderen Befehl erhalten hatte, aha, ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich die ganze Nacht hinziehen mochte, Herumgefahre von einem Punkt

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