Semmlers Deal
Auch sie hatte sich nicht verändert. Sie war ihm vertraut, es war kein angenehmes Gefühl.
Sie suchte im Schrank nach Gläsern, wandte ihm den Rücken zu.
»Du kommst nicht zum Ficken?«, fragte sie.
»Nein«, sagte er. Dabei war er ruhig, die Frage erstaunte ihn nicht und ärgerte ihn nicht.
»Du liebst sie wirklich, hmm?«
Das erstaunte ihn nun doch.
»Woher weißt du ...?«
»Ich seh es dir an.« Sie hatte zwei saubere Gläser gefunden – er wusste mit einem Mal, dass sie die anderen unabgewaschen in den Schrank zurückgestellt hatte. Sie fragte nicht, was er trinken wolle, öffnete eine lichtbraune Flasche und schenkte in die Cognacschwenker ein.
»Kubanischer Rum«, sagte sie, »etwas Besseres gibt es nicht ... setz dich doch, steh nicht so rum.«
Er schob einen Packen zerknitterter Blusen zur Seite und nahm auf der freien Stelle des Sofas Platz. Sie setzte sich gegenüber in den Lehnstuhl. Der Rum war ausgezeichnet, aromatisch, voll, aber mild. Kein Etikett auf der Flasche.
Sie nahm einen tiefen Schluck, lehnte sich zurück.
»Du hast also Schwierigkeiten.« Die Feststellung wunderte ihn nicht mehr. Er nahm selber einen Schluck und erzählte alles. Die ganze Geschichte von dem Augenblick an, als er vor Monaten ihre Wohnung verlassen hatte. Sie hörte zu. Er beobachtete sie dabei; die Worte kamen von selbst aus seinem Mund, es gelang ihm, die Wirkung an ihr zu sehen. Er hatte noch nie jemanden erlebt, der ihm so aufmerksam zuhörte. Sie schien alles, was er sagte, aufzusaugen; sie war ein einziges, brennendes Interesse.
Als er geendet hatte, schwieg sie lange Zeit. Mit ihm ging eine Wandlung vor. Er betrachtete sie, wie sie ihm gegenüber saß und nachdachte, in ihr Glas starrte, das sie in den Fingern drehte. Zum ersten Mal seit ihrer Bekanntschaft sah er sie an – ohne Absicht und Ablenkung. Sie war nicht schön, sie gab sich auch keine Mühe, diese Tatsache zu verbergen. Er sah die Falten an ihrem Hals, auf der Stirn, die winzigen Fältchen um die Augen; jedes einzelne wie herausmodelliert.Das lag vielleicht nur an der Beleuchtung, aber keine Beleuchtung konnte ihr diese stumpfgrauen Strähnen ins Haar machen, die waren einfach da. Sie trug ein knielanges Kleid, beige, jene Art Beige, die an gekotztes Bier erinnert. Die Füße steckten in abgetretenen Slippern. All dies war negativ, nicht einfach reizlos, sondern abstoßend.
Dennoch spürte er Wärme im Schoß, ein unendlich sanftes Sehnen. Sie machte ihn an. Sie war hässlich; im klaren Licht des Tages bei offenen Jalousien war sie hässlich. Dennoch spürte er ein wachsendes Begehren, das sanfte Ziehen, in dem die Unmöglichkeit des Wunsches mitschwingt, wandelte sich innerhalb einer Minute zu trotzigem Drängen, begleitet von der Gewissheit des Endes.
»Also doch«, sagte sie und trank aus. Das leere Glas setzte sie so nachlässig am Boden ab, dass es umkippte, das sah er genau; das Nächste, was er sah, war ihre nackte Gestalt, die um den Tisch herum auf ihn zukam, die Slipper in eine Ecke schleuderte. Das kotzgelbe Kleid hatte sie ausgezogen. So schnell?
Sie ließ sich rittlings auf seinem Schoß nieder, begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
»Die Sache ist gefährlich für die Kleine, das ist dir doch klar?«, sagte sie.
»Ja, ja ...«
Wie ein kleines Kind ließ er sich das Hemd ausziehen. Sie rutschte auf den Boden, bearbeitete mit flinken Fingern die Hosenknöpfe.
»Ich hatte dir gesagt, es ist auch gefährlich für die ganze Sache, wenn du zu ... zu geizig bist – hab ich das nicht gesagt?«
Sie zog am Hosenbund, er spürte ihre Finger an den Hüften,ein Schauer überlief ihn. Er stemmte die Fersen auf den Boden, hob den Unterkörper.
»Doch, doch, das hast du gesagt, nicht geizig ...« Sie zog ihn aus. Dann war sie mit einer einzigen, fließenden Bewegung auf ihm, kauerte in derselben Haltung, die Fußrücken auf seinen Schenkeln abgestützt, küsste ihn mit weichen Lippen, während sie sich auf ihm niederließ, sehr langsam. Eindringlich. Auch Ursula hatte ihn so geküsst, ihn so aufgenommen. Jetzt war es besser, viel besser. Viele Nächte sind so hell, dass man im Licht des Mondes lesen kann. Dennoch kann sich die hellste Nacht nicht mit dem trübsten Tage messen. So waren diese beiden Male: wie Nacht und Tag. Er packte ihre Hinterbacken, sie begann sich zu bewegen.
»Oh Gott ...!«
»Es ist merkwürdig«, flüsterte sie, »wie viele Leute ihn dabei anrufen. Dabei heißt es doch, du sollst den Namen nicht unnützlich führen
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