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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Schach zum Beispiel. An sich war das doch alles Zeitverschwendung, hatte nichts zu tun mit wirklichen Dingen und realen Menschen. Koslowski war nicht der rechte Mann, mit einem auch nur mittelmäßig fähigen Kommissar der heimischen Kriminalabteilung diese Art Schach zu spielen. Matt in vier Zügen oder so.
    Warum hatte er sich dann darauf eingelassen? Darüber dachte er nach, als er in der Küche vor den fünfhunderttausend Euro saß und auf Semmlers Anruf wartete. Je weiter die Zeit vorrückte, desto mehr kam eine grundsätzliche Gewissheit in den Vordergrund – eine Gewissheit, die schon, wie er sich eingestand, bei der ersten Idee zu diesem Unternehmen mit einem Male da gewesen, mit größter Selbstverständlichkeit, dann aber bescheiden in den Hintergrund getretenwar, um dem üblichen Pessimismus, der in Koslowskis Denken Hausrecht besaß, das Feld zu überlassen; die durch nichts zu begründende, aus keinem Umstand der realen Welt abzuleitende, dennoch unerschütterliche Gewissheit: Dass ihm nichts passieren konnte, wenn er es tat. Gar nichts. Bei Semmler. Nur bei ihm. Bei jedem anderen wäre er aufgeflogen, und wenn die Untat nur darin bestand, diesem anderen einen Kuli zu klauen – sie hätten ihn entdeckt und gedemütigt. Aber bei Semmler konnte er sich so blöd anstellen, wie er wollte. Er hatte ihm das Haus niedergebrannt, und was war ihm geschehen? Nichts. Er hatte ihn um fünfhunderttausend Euro geprellt. Was würde geschehen? Nichts. Das Krachen der Ramme blieb aus. Es wurde auch nicht an der Tür geläutet. Warum sollte die Polizei seine Tür einschlagen oder daran läuten? Das setzte, egal, was sie tat, voraus, dass man sie informiert hatte, die Polizei. Aber niemand hatte irgendjemanden informiert. Semmler hatte genau getan, was er, Koslowski, ihm gesagt hatte. Semmler hatte alles getan, was getan werden musste, damit er um fünfhunderttausend Euro erleichtert werden konnte, und alles vermieden, was dieses Ziel gefährden würde. Und er selbst, Koslowski, hatte einen hanebüchenen Plan durchgeführt.
    Das Telefon läutete. Als er abnahm, hörte er im Hintergrund hysterisches Kreischen wie von Teenagern bei einem Rockkonzert, im Vordergrund Semmler, der ein ums andere Mal brüllte: »Sie ist das! Sie ist da! Sie ist da!«, in einer Tonlage, die sich kaum von dem Kreischen unterschied, das, wie er begriff, von Ursula stammen musste. Karin blieb stumm. Semmler erklärte, sie sei vor zwei Minuten eingetroffen, mit einem Taxi. Dann begann er zu schluchzen, gab unverständlichesZeug von sich; Koslowski hingegen versuchte Beruhigendes; er solle sich nicht aufregen, sagte er, tief durchatmen und natürlich, Glückwünsche richtete er auch aus. Dann legte er auf. Er stieg ins Auto, fuhr zur Villa. Als er dort vor der Tür stand, fiel ihm ein, dass er den Geldhaufen auf dem Küchentisch hatte liegen lassen; man konnte ihn durch die Stores sehen, wenn man sich auf die Zehenspitzen stellte und mit den Händen gegen Seitenlicht einen Trichter vor den Augen bildete. Aber wer sollte das tun?
    Im Hause Semmler herrschte eine höchst merkwürdige Stimmung. An der Oberfläche alles eitel Wonne und Sonnenschein. Die beiden Frauen sahen erschöpft aus; Ursula hatte sich beruhigt, Karin kam auf ihn zugerannt und umarmte ihn, ohne ein Wort zu sagen, Ursula umarmte ihn dann auch, was ihm unangenehm war, sogar Semmler selber umarmte ihn, was keine Gefühle auslöste, weder positive noch negative. Karin erzählte ihm alles, was er ohnehin wusste, es war langweilig. Sie selber schien das auch zu spüren, gab sich aber Mühe, den Eindruck von Langeweile zu vermeiden und outrierte durch ausufernde Gestik, aber an den falschen Stellen. Es war ein bisschen wie bei der Schüleraufführung der »Medea«, die Koslowski vor vierzig Jahren im Gymnasium gesehen hatte. Die beiden anderen merkten nichts. Er blieb noch eine Weile, hörte sich die Pläne der Familie an; ein Urlaub in den Bergen, Rückzug und Erholung, vor allem Ursula hatte das nötig. Das Haus, erklärte Semmler mit schöner Offenheit, würden sie verkaufen; mit dem blöden Kasten habe das doch alles erst angefangen, Ursula nickte heftig, stimmte mit dem Fanatismus der frisch Bekehrten zu; dass sie ihre Lektion gelernt hatte, daran konnte kein Zweifel bestehen. Keine Protzereimehr. Koslowski, nur, um sich am Gespräch zu beteiligen, äußerte Zweifel an der Verkaufbarkeit der Villa, gebe es denn einen Markt für so ein Objekt? Das sei freilich schwierig, gab ihm

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