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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Klagen oder Jammern: Es sah alles schlecht aus, das eine mehr, das andere weniger. Nicht um Passendes sagen ging es, nur um Passendes tun . Und das einzig mögliche Tun bestand darin, hineinzugehen, den Widersacher mit einem Stück zugespitzten Eisens zu durchbohren (Lanze oder Schwert, was eben zur Hand war) und danach die betreffende Dame mit Verachtung zu strafen (und in einer möglichst zugigen und abgelegenen Burg einzusperren, wo sie dem völligen körperlichen und geistigen Verfall entgegendämmern mochte).
    Zur Hand waren weder Lanze oder Schwert noch Burg. Da dieser einzig gangbare Ausweg verwehrt war, wählte er einen der nicht gangbaren, deren es viele gab, er marschierte auf der Lustenauer Straße auf und ab wie ein patrouillierender Posten, was nur deshalb nicht als abwegiges Verhalten auffiel, weil er für eine Richtung immer ein paar hundert Meter wählte, zur Bahnunterführung und dann zurück zur Messeparkkreuzung. Wenn er an dem Lokal vorbeikam schaute er durch die Scheibe. Bei einem der künftigen Kontrollgänge würden sie weg sein, soweit konnte er logisch denken, und dann ... dann würde er beim Gehen etwas herausfinden und sich etwas überlegen und weiterdenken und eine Lösung finden und pi, pa, po. Aber nicht vorher. Nicht solange sie dort drin saßen und aßen.
    Er hatte Pech. Als er wieder von oben auf das Restaurant zulief, das dritte oder vierte Mal, kamen sie heraus. Er blieb stehen. Sie sahen ihn nicht, obwohl der Parkplatz in seiner Richtung lag, sie unterhielten sich, sie hatte sich bei Wurtz eingehängt, nur ein paar Schritte zum Auto, es wurde eingestiegen in den weißen Mercedes und weggefahren. Richtung Stadt. Als sie auf der anderen Straßenseite an ihm vorbeifuhren, wandte er sich ab, bückte sich, um den rechten Schuh zu binden. Noch in der Tarnbewegung löste sich die Sperre, er konnte weiter denken, wusste, was zu tun war. Verfolgung, ganz einfach. Ihnen nach. Er lief vor bis zum Lokal und ließ per Handy ein Taxi dorthin kommen. Es dauerte volle zehn Minuten, bis er die Verfolgung aufnehmen konnte. In der Innenstadt stieg er aus, querte den Park beim Kulturhaus und näherte sich dem schmucklosen achtstöckigen Block, in dem Wurtz seine Kanzlei hatte. Gemischte Nutzungen, in den unteren Stockwerken Büros,weiter oben dann Wohnungen. Aber Wurtz wohnte nicht hier. Semmler lief die umliegenden schmalen Straßen ab, die zwischen Mauern und hohen Hecken hindurch führten, hier lagen alte Bürgerhäuser, jedes auf parkartigem Grundstück, hier begann der bessere Teil der Stadt mit den Häusern der höheren Angestellten jener Textilindustrie, deren Eigentümer sich weiter oben am Berg richtige Villen gebaut hatten, die dann auch in richtigen Parks lagen.
    Es war jetzt elf. Die Büros im Gebäude alle dunkel. Das erleichterte ihn. Es hätte ja sein können, dass eines dieser Fenster oder auch zwei, drei nebeneinander im dritten Stock noch erleuchtet gewesen wären, das hätte bedeutet ... hätte bedeutet ... er spürte, dass er vor sich hin sprach, leise nur, aber so laut, dass ein Passant aufmerksam würde ... was hatte er denken und sagen wollen? Dass sich Ursula und Wurtz in ihrem Büro unaussprechlichen Ausschweifungen hingeben könnten, wollten, würden? Und warum sollten sie das Licht brennen lassen, ausgerechnet dabei? Weil, so antwortete eine kühle Stimme in seinem Kopf, die Unaussprechlichkeit der Ausschweifungen eben auch an der Beleuchtung hängt; ohne Licht kein Sehen, und gesehen werden muss sie, die Ausschweifung, um als solche erkannt und gewürdigt zu werden, das Gesehenwerden ist ihre innere Bestimmung, den größten Realitätsgehalt hat, was man mit eigenen Augen gesehen, aufgenommen, was heißt hier aufgenommen, aufgesaugt, eingeschlürft und hinab gestoßen in die tiefste Höhlung des Selbst, wo ein kaltes Feuer brennt, das die Menschen nicht spüren. Wenn nicht die eigene Frau mit einem anderen Mann vögelt, eben jetzt. Nicht in dem hässlichen Bürobau, wieso auch, wo es doch ein paar hundert Meter weiter viel gemütlicher war.
    Semmler ging in die Goethestraße.
    Dort lag der pyramidenförmige Betonbau, jedes Stockwerk gegenüber dem unteren ein paar Meter rückversetzt, wodurch großzügige Terrassen entstanden, jede so groß wie eine Dreizimmerwohnung, am Rand mit bestrauchten Betontrögen. Dort wohnte Wurtz im zweitobersten Stock, dem fünften, Semmler kannte die Wohnung, er war ein paar Mal zu Besuch dort gewesen, unpraktisch geschnitten, saalartiger

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