Semmlers Deal
Opfer angenommen wird ... mach schon.«
Er kniete nun hinter ihr. So weit war es mit Sylvia nicht gekommen. Er stieß zu, begann, sich zu bewegen. Sie antwortete mit ihrem Hintern; sprach flüsternd zu ihm mit rauher Stimme. Obszönitäten, die er aus keinem Mund je gehört hatte, Schauer überliefen seinen Körper.
Es kam, wie es kommen musste. Alle Freude schwand.
B eim Anziehen stellte er fest, dass der Hausschlüssel nicht mehr da war. Er trug das Etui in der linken Hosentasche, den Autoschlüssel in der rechten; der war noch da, die linke Tasche leer. Frau Mießgang war bei der Nachsuche keine Hilfe. Semmler, der über reiche Erfahrung verfügte, hatte den »post coitum«-Spruch, wonach »alle Lebewesen nach dem Geschlechtsakt traurig« seien, nie bestätigt gefunden;weder bei sich selbst noch bei Partnerinnen, und immer als typische Philosophenausrede für schlechten Sex angesehen. Weil sie es nicht besser konnten, verliehen die alten Lateiner ihrem miesen Gefühl die Würde einer ontologischen Beschaffenheit – dass es vielleicht nicht an der Natur, sondern an den schwarzen Schwingungen der Sklavin lag, die es nicht so gut fand, jeden zweiten Tag vergewaltigt zu werden, darauf sind die Herren nicht gekommen ... warum ging ihm das nun durch den Kopf? Es lag wohl an Gisela Mießgang. Sie war mürrisch, um es vorsichtig auszudrücken. Dass er seinen Schlüssel verloren hatte, schien sie als persönliche Beleidigung aufzufassen, sie wollte ihn nun los sein, so rasch wie möglich.
Die Suche dauerte nicht lang und blieb ohne Ergebnis. Er habe, vermutete sie, den Hausschlüssel sicher bei der Rettungsaktion verloren, an der Ach, sagte sie, er hörte heraus, was sie meinte: In der Ach. Sein Hausschlüssel auf dem Weg in die Nordsee. Er müsse nachschauen, empfahl sie, wobei sie nicht die geringste Andeutung machte, im Falle der Nichtwiederbeschaffung des Schlüssels ihre Wohnung zur Übernachtung anzubieten; nicht dass er darauf angewiesen gewesen wäre, es hätte sich nur gehört, dachte er, als freundliche Geste.
Aber sie wollte ihn los sein, sonst war da nichts.
Als er die Treppe hinabstieg, brach er, wie er wohl wusste, seinen eigenen Rekord: er ärgerte sich über sie. Schon zwanzig Minuten nach dem Akt; bisher hatte das es immerhin eine Stunde gedauert bis ihm die Partnerin zu negativen Gefühlen verhalf. Er hatte nicht erwartet, dass sie ihn begleitete, aber sie hätte wenigstens ... beim Verlassen des Hauses fiel ihm wieder Sylvia ein. Darüber vergaß er, welches angemesseneVerhalten er von Frau Mießgang, der Stütze von Hochwürden Moser, erwartet hätte.
Auf der Fahrt dachte er nicht mehr an Frau Mießgang.
Inzwischen war es Nacht geworden. Semmler führte im Auto eine Taschenlampe mit, das hatte Frau Mießgang, die ihm jetzt wieder einfiel, nicht wissen können; sie hätte ihm also eine zum Mitnehmen anbieten müssen, denn es war abzusehen, dass es an der bewussten Stelle, bis er dort war, vollständig finster sein würde. Aber nein, keine Taschenlampe, keine Hilfe von ihr. Er parkte den Wagen auf der flussabgewandten Seite und suchte den Boden an der Abrisskante ab. Nichts. Der Schlüsselbund war weg. Er machte die Taschenlampe aus und starrte in die Ach. Zu sehen war nichts mehr, nur zu hören, noch immer das Tosen, dazwischen Rumpeln und Poltern von den Steinen, die der Fluss auf dem Grund vorwärts rollte. Dort unten wurde alles zermahlen, zerrieben, groß und klein. Frau Mießgangs Auto, seine Schlüssel. Was immer hinein gefallen, auf den Grund gesunken war. Zwei Schritte. Zwei Schritte würden reichen.
Es roch nach frischem Wasser, obwohl die Brühe dreckbraun war. Oder war sie nicht mehr braun? Er schaltete die Lampe ein, richtete den Lichtkegel auf die Flut. Milchkaffee wie am Nachmittag. Das irritierte ihn. Nichts Muffiges, Faules in der Luft, sondern der Duft einer Quelle, eines riesigen, aus Abgrundtiefe heraufschießenden Schwalls kristallklaren Wassers. Trinken müsste man dieses Wasser in langen Zügen, immer weiter trinken, dann würde man gesunden. Von allem genesen. Das rührte ihn, die linke Wange wurde nass, die Kehle eng.
Er atmete tief durch, beruhigte sich. Das war nur eine ... Irritation wegen des Schlüssels. Nichts weiter. Er mussteBellmeyer anrufen. Bellmeyer hatte Ersatzschlüssel. Er kümmerte sich um das Anwesen, nicht nur den Garten, auch sonst um alles, sorgte dafür, dass die Putzfrauen nicht stahlen, dass der Elektriker kam, der Installateur, wenn es
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