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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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nicht, um einen höheren Preis herauszuschlagen. Jeder andere, der nichts von der Sache verstand, hätte es »Hütte« genannt, er sprach von einem »Häuschen« aus Trotz. Messmer hatte den Bau gegen behördlichen Widerstand erst nach langwierigen Verhandlungen durchgesetzt und bei den Abmessungen nachgeben müssen. Die Hütte lag mitten in dem Waldstück, das er geerbt hatte, einen Fahrweg gab es nicht, nur einen schmalen Pfad von der Forststraße weiter obenam Hang herunter, den musste man kennen, sonst fand man unter den dichten Sträuchern nicht die Stelle, wo er anfing.
    Messmer hatte sich für die Schikanen gerächt und den Bau mit einem Keller versehen, für den er keine Genehmigung hatte. In der Kochnische gab es eine Art Geheimtür, dahinter führte eine Treppe nach unten. Der Keller aus massivem Beton war deutlich größer als die Hütte, aber von außen nicht sichtbar. Messmer hatte Wein darin gelagert, zwei Regale voll, die waren schon lang weg. Strom gab es nicht, nur Petroleumlampen und eine von außen angebaute Chemietoilette. Das ganze Konzept so verunglückt, dass Koslowski sich sofort dafür begeistert hatte. Die Terrasse der Fläche nach wie die Hütte selbst, der Keller darunter so groß wie beide zusammen, aber diesen Keller vermutete man nicht, es gab dazu keinen Plan, keine Behörde wusste von seiner Existenz.
    Herr Messmer hatte versucht, in einem reinen Forstgebiet doch so etwas wie ein Wochenendhaus hin zu bekommen. Gegen den Willen seiner Frau und der Töchter. Als dann bei ihm selbst die Bandscheibenprobleme anfingen, erkannte er, dass das »Häuschen« mitten im Wald in Hinkunft seine Kräfte übersteigen würde – man musste jeden Laib Brot und jede Flasche Bier ein paar hundert Meter durch den Wald tragen. Also annoncierte er. Interessenten kamen spärlich, und alle hatten bei der Besichtigung schon auf dem Fußmarsch den Entschluss gefasst, das Ding nicht zu kaufen, bevor es überhaupt aufgetaucht war. In einem Land, da man auf drei Einwohner schon zwei Autos zählte, war ein Haus ohne Zufahrt – es mochte so klein sein, wie man wollte – eine Verschrobenheit. Und Verschrobenheitenschätzte man nicht, sie wurden bestraft. Messmer musste seine Preisvorstellungen beträchtlich nach unten korrigieren, seine Frau drängte darauf, das unglückselige Ding, wo sie unter Mückenschwärmen viele öde Sommernachmittage verbrachte hatte, endlich loszuwerden. Die erwachsenen Töchter machten keinen Hehl aus ihrer Abneigung, je wieder einen Fuß in diese Hütte zu setzen, die Schwiegersöhne sprachen offen von Abriss – kurz: der enttäuschte und verbitterte Messmer schlug Waldgrundstück und »Häuschen« endlich zu einem Preis los, den der einzig verbliebene, wenn auch schwankende Interessent bezahlen konnte. Dieser Interessent hieß Koslowski.
    »Also, was haben wir hier«, begann er, stellte die Sachen mit großer Geste in eine Reihe. »Landjäger von der Metzgerei Walser, Schwarzbrot, Steinofenpärle, Bergkäs und Romadur, Oliven mit Mandeln gefüllt – und schließlich auch das ›Hollermandl‹. Dafür war ich in noch zwei Geschäften, beim Spar hatten sie es nicht.«
    »Ja, schon gut, Papa, ganz toll, ich werd nicht verhungern.« Es rührte sie, dass er sich an ihre Vorliebe für die speziellen Walser-Landjäger erinnerte, die besten weit und breit, und dass er auch nicht die Holunderkonfitüre vergessen hatte, die sie lieber aß als jede andere Süßspeise. Gleichzeitig ärgerte sie die Rührung, kam ihr kleinmädchenhaft, fast kindisch vor.
    Er setzte sich an den Tisch. »Wie war dein Tag?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Da war gar nichts. Lesen, Musikhören ...« Er zog die Brauen hoch. »Nein, natürlich nur Walkman und nur unten ...«
    »Du musst alles hören, wenn du oben bist«, sagte er, wie er das schon ein Dutzend Mal getan hatte. »Und oben heißtdraußen. Wenn jemand kommt, verschwindest du rechtzeitig im Keller, oder, wenn das nicht mehr möglich ist, bist du die Wanderin, die das hier zufällig entdeckt hat und als Rastplatz nützt. Es geht nicht an, dass ein Wandersmann vorbeikommt ...«
    »... und mich durchs Fenster am Tisch sitzen sieht«, vollendete sie den Satz. »So wie jetzt.«
    Er sprang auf, trat auf die Terrasse und sah sich um. Sie folgte ihm.
    »Mach dir keine Sorgen, Papa, es war überhaupt niemand da, kein Mensch, kein Reh, kein gar nichts!«
    »Die Rehe sind schon da, die sind nur zu scheu, wart nur, wenn sie sich an dich gewöhnt haben ...«
    »Ich hoffe

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