Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Wange. Dieser Mann war so leicht zu verletzen, und sie würde es gar nicht merken, weil er alles für sich behielt. „Aus dem Loch schon.“
Er zuckte zusammen. „Du hast es also herausgefunden.“
„Was hast du geglaubt, wie lange ich den Paarungstanz nicht bemerken würde?“ Sie kreuzte die Arme über der Brust, obwohl sie nichts lieber getan hätte, als ihn zu streicheln.
„Können wir nicht später darüber reden?“
„Mal sehen.“ Sie erblickte den Koffer auf dem Rücksitz. „Gut – nachdem wir die Proben abgegeben haben.“
„Einer meiner Männer kann sie zu Sierra Tech bringen. Einverstanden?“
Mercy nickte. Das anerkannte Forschungsunternehmen war hauptsächlich im kommerziellen Bereich tätig, aber ein kleiner Teil war mit speziellen Aufgaben für die Rudel beschäftigt. Da Wölfe und Leoparden für diese Arbeiten gesondert zahlten, war es nicht nötig, dass andere Aktionäre etwas davon erfuhren. Und die Arbeiten konnten mit der nötigen Geheimhaltung durchgeführt werden. „Ich werde Ashaya anrufen. Wahrscheinlich wird sie sich die Proben ansehen wollen.“
Bei dem Gespräch mit der M-Medialen fiel ihr noch etwas anderes ein. „Konntest du noch einmal mit Nash reden?“
„Ja, aber er wollte mir am Telefon keine Einzelheiten über seine Forschungen verraten“, sagte Ashaya. „Tut mir leid – ich weiß, ihr braucht mehr, um einen wirksamen Schutz für ihn zu organisieren.“
„Ist nicht deine Schuld.“ Mercy lehnte sich zurück. „Mal sehen, ob ich ihn unter vier Augen sprechen kann. Vielleicht bringt das etwas.“
„Viel Glück.“
Der Netkopf meldete sich, als Faith in dem Büro saß, das Vaughn für sie eingerichtet hatte – und das sie liebte, denn es war ebenso wild wie ihr Gefährte und befand sich in einer Extrakammer der einzigartigen Höhle, die Vaughn in ein gemütliches Heim verwandelt hatte. An den Wänden glitzerten Mineralien in dünnen Röhren, brachten auf diese Weise Licht in das ganze „Haus“. Das System verbreitete Wärme und Helligkeit auf ökologisch verträgliche Weise, Faith fühlte sich wie in einem warmen Kokon.
Doch das war nur eines der Dinge, derentwegen sie sich vollkommen sicher fühlte. Schon allein, weil sie zu Vaughn gehörte, würde es niemand wagen, Hand an sie zu legen, aber es war wunderbar, beim Arbeiten von allen Sorgen frei zu sein, denn die Zufahrtsstraße und das Haus waren auf jede nur vorstellbare und nicht vorstellbare Weise mit versteckten Fallen bestückt.
Faith lehnte sich in ihrem Lieblingslehnstuhl zurück und ging die Anfragen für Vorhersagen durch. Natürlich machte sie diese Geschäftsvorhersagen nicht mehr, wenn sie ganz allein war, denn die Gefahr einer Kassandra-Spirale war immer gegenwärtig. Das bedeutete, dass eine nicht mehr steuerbare Flut von Bildern ihren Geist zerstören konnte. Zwar bot das Band zu Vaughn einen gewissen Schutz, aber sie wollten beide kein Risiko eingehen. Vor allem, da sie bereits düsteren Visionen ausgesetzt war, die ohne Vorwarnung plötzlich auftreten konnten.
Aber, dachte sie voll Stolz, sie hatte gelernt, sich über das Band mit Vaughn zu erden, damit die Albträume sie nicht überschwemmten. Ihr jetziger beinahe spielerischer Umgang mit der Liste der Anfragen – eine Art geistiges „Sondieren“ – war allerdings völlig ungefährlich.
Beim dritten Durchgang „klopfte“ der Netkopf an. Sie konnte ihn nicht sehen – das hatte sie noch nie gekonnt. Aber sie wusste einfach, dass er es war, eine unbegrenzte Wesenheit, gleichzeitig alterslos und manchmal wie ein Kind. Er füllte ihren Kopf mit Rosen – das war seine Art, sie zu begrüßen, und sie lachte.
Es war schwierig, sich mit dem Netkopf zu unterhalten – er schien Bilder besser zu verstehen als Worte, obwohl es seine Aufgabe als Bibliothekar des Medialnet war, Millionen von Worten festzuhalten und zu ordnen. Die Wesenheit veränderte sich ständig, genau wie das Medialnet. Den Rosen folgten jetzt schreckliche Bilder, die Faith kaum verarbeiten konnte.
Gewalt. Blut. Selbstmord. Wieder und immer wieder.
Sie hob geistig eine Hand, zeigte dem Netkopf die Handfläche, das vertraute Signal für ihn, er solle langsamer senden. Doch auch die langsamere Version war immer noch fast zu schnell für sie. Aber es war besser als vorher. Sie speicherte die Bilderflut ab, um sie später in Ruhe zu betrachten, denn offensichtlich stand der Netkopf unter Spannung. Besorgt schickte sie ihm das Bild einer in Dunkelheit gehüllten
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