Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Fingern auf sein Knie. „Kannst du Proben entnehmen, ohne dass jemand später etwas davon bemerkt?“
„An den Fraßstellen müsste das klappen.“ Sie nahm bereits Blut ab. „Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht.“
„Wohl im Medizinstudium.“
Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Deine Hintergrundrecherche war aber ziemlich genau.“
„Selbstverständlich.“ Er behielt die Umgebung im Blick, sah auch ab und zu in den Himmel. „Heute sollen Falken kommen. Sie haben die Erlaubnis eingeholt, Rudelgebiet zu überfliegen.“
Mercy entnahm noch ein paar Proben und notierte sich, von welchen Stellen des Körpers sie stammten. „Die Falken sind schon seit einiger Zeit am Verhandeln.“ Der WindHaven-Clan besaß ein großes Gebiet in Arizona, das an das Territorium der SnowDancer-Wölfe grenzte. Ihre Bitte war nicht ungewöhnlich. Gestaltwandlervögel, insbesondere Wandervögel und räuberische Arten, sicherten sich oft Überflugrechte, die es ihnen erlaubten, auf streng festgelegten Bahnen Gebiete anderer Raubtiere zu überqueren.
Falls die Falken noch dazu eine begrenzte Landeerlaubnis haben wollten, mussten sie ein Bündnis eingehen, doch dafür mussten zunächst die Wölfe – und auch die Leoparden als deren mächtigste Verbündete – die Falken als Bündnispartner akzeptieren. Schwache Verbündete konnten viel Schaden anrichten. Wie auch immer – „Sie scheinen in Ordnung zu sein.“
„Wird sich ja bei unserem Treffen herausstellen.“ Riley beobachtete Mercy, wie sie die Handschuhe auszog, in einen Beutel für Sonderabfälle tat und den Kofferdeckel schloss. „Fertig?“
„Ja. So haben wir wenigstens etwas.“ Sie verzog das Gesicht. „Reicht aber wahrscheinlich nicht, um alle Fragen zu klären.“
„Vielleicht haben wir ja Glück.“ Er streckte die Hand nach dem Koffer aus. Als sie eine Braue hochzog, blinzelte er nicht einmal. „Ich bin nun einmal stärker. Begreif das endlich.“
Ihr blieb der Mund offen stehen – da hielt er ihr doch tatsächlich den eigenen Spruch vor. Er nutzte ihre Überraschung, schnappte sich den Koffer und kletterte über die Felsen.
Da er der ihm folgenden Raubkatze auf dem ganzen Weg zum Auto den Rücken zudrehte, konnte er nicht sehen, dass es in ihren Mundwinkeln zuckte.
Am Wagen sah Mercy nach, ob auf ihrem Handy Nachrichten angekommen waren. „Die Falken haben das Treffen verschoben“, teilte sie Riley mit. „Der neue Termin ist übermorgen.“
„Da muss etwas Großes dahinterstecken“, murmelte Riley. „Die Verhandlungen haben sich Monate hingezogen.“
Mercy nickte und löschte die Nachricht. „Ich habe mir überlegt, dass eine Ratte der Polizei anonym den Tipp mit der Leiche geben sollte. Der Tote sollte nicht hier draußen verrotten. Wer weiß, was alles in ihm steckt.“
„Ich würde gerne noch mehr Ratten kennenlernen. Teijan ist ganz anders, als ich erwartet hatte.“
Mercy antwortete erst, nachdem sie den Anruf erledigt hatte. „Sie können euch nicht so gut leiden“, sagte sie. „Habt ihr nicht gedroht, jeder Ratte das Fell über die Ohren zu ziehen, die ihr beim Rumschnüffeln erwischt.“
Riley lächelte grimmig. „Damals haben sie einfach nur herumspioniert. Jetzt sind sie wertvolle Verbündete.“
Mercy schnaubte, aber die Raubkatze faszinierte diese logische Schlussfolgerung. Sie brauchte einen Gefährten, der ihr sowohl körperlich als auch geistig gewachsen war. „Um noch einmal auf den Toten zurückzukommen – für mich passt er einfach nicht zu den letzten Fällen wahnsinnig gewordener Medialer. Hast du von einem Vorfall gehört, bei dem der Täter nicht gefunden wurde?“
„Nein.“
„Ich auch nicht. Aber die Polizei überschwemmt uns ja auch nicht gerade mit ihren Berichten.“
„Was ist mit diesem Bullen?“
„Wer? Max?“ Mercy runzelte die Stirn. „Der ist nach New York zurückgegangen.“
„Er könnte hilfreiche Kontakte haben.“
Mercy nickte. „Ich werde Clay bitten, sich umzuhören. Aber wenn die Medialen es verschleiern wollen, wird niemand etwas davon erfahren haben.“ Frustriert seufzte sie.
„Mercy.“ Er klang so angespannt, dass hinter der Frage eine Menge Gefühle stecken mussten.
„Was ist?“
„Bin ich aus dem Loch raus, das ich mir bei der letzten Aktion gegraben hatte?“
„Könnte sein.“ Aber er sah so ernst aus, dass sie sich nicht beherrschen konnte. Eine zärtliche Regung erfasste sie, sie streckte die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über seine
Weitere Kostenlose Bücher