Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
ein Schulmädchen. Sie war in einen abgetragenen Samtumhang gehüllt, der gegen die abendliche Kälte kaum etwas ausrichtete. Dann bemerkte Alexia die nackten Füße. Eindeutig diente der Umhang nicht gegen die Kälte, sondern für den Anstand.
»’n Abend, Gramps «, sagte Lady Kingair zu Lord Maccon, und dann » Grams « zu Alexia. Wenn man bedachte, dass sie älter als die beiden aussah, war das für jeden, der nicht mit den Familienverhältnissen der Maccons vertraut war, eine merkwürdige Begrüßung.
»Urururenkelin«, entgegnete Lord Maccon. »Welchem Umstand haben wir diese Ehre zu verdanken?«
»Wir haben ein Problem.«
»Ach, wirklich? Haben wir das?«
» Aye. Kann ich reinkommen?«
Lord Maccon trat beiseite und wies auf Lord Akeldama, da es das Haus des Vampirs war. Vampire waren recht eigenartig, wenn es darum ging, Leute hereinzubitten. Lord Akeldama hatte einmal etwas über ein Ungleichgewicht im Bindungskräfteverhältnis gegrummelt, nachdem Lady Maccon Mrs Ivy Tunstell übermäßig lange in seinem Salon zum Tee empfangen hatte. Er schien sich einigermaßen gut daran gewöhnt zu haben, dass Prudence und ihre Eltern unter seinem Dach lebten, doch seit dem Ivy-Tee-Vorfall empfing Alexia ihre Gäste im Haus nebenan in ihrem eigenen Salon.
Lord Akeldama spähte auf Zehenspitzen über Lady Maccons Schulter. »Ich glaube nicht, dass wir uns bereits vorgestellt wurden, junge Dame.« Sein Tonfall besagte eindeutig, was er davon hielt, dass irgendeine Frau mit geflochtenem Zopf, einem schottischen Akzent und einem alten Samtumhang seine Türschwelle überschreiten wollte.
Alexia schwankte kurz, entschied dann, bei Lady Kingair eine Ausnahme zu machen, und sagte: »Lady Kingair, darf ich Ihnen unseren Gastgeber Lord Akeldama vorstellen? Lord Akeldama, das hier ist Sidheag Maccon, Alpha des Kingair-Rudels.«
Alle warteten mit angehaltenem Atem.
»Das dachte ich mir bereits.« Lord Akeldama machte eine kleine Verbeugung. »Sehr erfreut.«
Die Werwölfin nickte.
Abschätzend musterten sich die beiden Unsterblichen. Alexia fragte sich, ob wohl ein jeder von ihnen in der Lage war, über das ungeheuerliche Erscheinungsbild des anderen hinwegzusehen. Lord Akeldamas Augen funkelten, und Lady Kingair sog schnuppernd die Luft ein.
Schließlich sagte Lord Akeldama: »Vielleicht kommen Sie besser herein.«
Alexia verspürte eine Welle des Triumphes, unter solch schwierigen gesellschaftlichen Umständen einen so höflichen Austausch erreicht zu haben. Sie waren einander offiziell vorgestellt worden!
Allerdings wurde ihre Freude von einem hohen, fragenden Stimmchen hinter ihnen unterbrochen. »Dama?«
»Ah, ich sehe, da ist jemand aufgewacht . Guten Abend, mein kleines Möpschen.« Lord Akeldama wandte sich von seiner neuen Bekanntschaft ab, um liebevoll in den Flur zu blicken.
Prudence hatte ihr kleines Köpfchen aus dem Salon gestreckt. Hinter ihr stand Tizzy. »Es tut mir wirklich leid, Mylord. Sie hat Ihre Stimmen gehört.«
»Keine Sorge, mein reizendes Schätzchen . Ich weiß ja, wie sie ist.«
Prudence schien das als Einladung zu verstehen und tapste auf ihren kleinen, stämmigen Beinchen durch die Empfangshalle auf sie zu. »Mama! Dada!«
Die für den Augenblick völlig vergessene Lady Kingair war fasziniert. »Das muss wohl meine neue Ururgroßtante sein.«
Alexias Stirn legte sich in Falten. »Ist das richtig so? Sollte es nicht Ururururhalbschwester heißen?« Hilfesuchend sah sie ihren Mann an. »Ich muss schon sagen, die Unsterblichkeit sorgt für eine ziemlich eigentümliche Ahnenfolge.« Kein Wunder, dass die Vampire niemandem mit Kindern die Metamorphose gestatten.
Lord Maccon runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube, es müsste eher so etwas heißen wie …«
Doch er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Prudence, die sah, dass sich eine Fremde unter ihnen befand, ging wie immer davon aus, dass alle, die sie auch nur sahen, sie sogleich vergötterten, und stürzte auf Lady Kingair zu.
»O nein!«, rief Tizzy. » Achtung! «
Zu spät hechtete Alexia vor, um ihre Tochter aufzuhalten.
Prudence flitzte zwischen den Beinen der Erwachsenen hindurch und klammerte sich an Lady Kingairs Bein, das unter dem Samtumhang ziemlich nackt war.
Einen Herzschlag später verwandelte sich das Kind in ein kleines Wolfjunges, wobei das Musselinkleid in Fetzen ging, und stürmte, nun viel schneller als ein Kleinkind, mit wild wedelndem Schwanz die Straße hinunter.
»Das is’ es also, was Häuter
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