Sense
machen. Ich zog meinen Notizblock aus der Jackentasche und, mein ganzer Stolz, einen Parker-Kugelschreiber, Prämie von meiner Versicherung für sechs Monate unfallfreies Fahren. So, jetzt Fragen stellen, Antworten notieren, Vorschuss einstreichen und weg von hier.
»Wo, wann und von wem wurde Ihr Mann das letzte Mal gesehen?«
»Samstagmittag 12 Uhr 45 vor der Hauptpost Gelsenkirchen. Von einem unserer Angestellten, einem Herrn Kling. Das ist der Monteur, der für gewöhnlich mit Sascha zusammen die Runden dreht. Herr Kling leert die Automaten und lässt das Münzgeld anschließend durch die Zählmaschine in seinem Transporter laufen. Er und Sascha bringen die gezählten und sortierten Münzen dann zu bestimmten Geldinstituten, wo sie entweder auf Konten eingezahlt oder aber in Scheine getauscht werden, die Sascha dann hierhin nach Hause bringt.«
Um sie im Keller zu stapeln, wenn ich Veronika richtig verstanden hatte.
»Frau Sentz, jetzt mal eine etwas rüde Frage: Kann es nicht sein, dass Ihr geliebter Gatte irgendwo ein Herzchen hat oder schlicht und einfach gründlich versackt ist und schon heute Abend wieder reuig und mit einem zerrupften Blumenstrauß auf der Faust hier auf der Matte stehen wird?«
Sie nippte an ihrem Drink. Legte den Kopf in den Nacken zum Schlucken. Wie eine Ente. »Zum ersten Teil Ihrer Frage sage ich mal nein. Aber«, sie biss auf ihrer Unterlippe herum, »ich sage das eher, weil ich den Gedanken nicht zulassen will, als dass ich es sicher wüsste. Dabei sollte ich das. Eine Frau sollte es spüren, wenn man sie hintergeht. Doch ich bin mir nicht sicher . Sascha .«, die Unterlippe musste wieder her, während nach Worten gesucht wurde, und auch ein Schlückchen wurde zu Hilfe genommen, »Sascha ist sehr charmant, müssen Sie wissen. Ein charmanter Lügner.« Sie nickte nachdenklich. »Und zum zweiten Teil Ihrer Frage: Selbstverständlich geht mein Mann schon mal ein bisschen über die Dörfer, schließlich lege ich ihn nicht an die Kette. Aber niemals, verstehen Sie, niemals nach dem Kassieren, mit mindestens einer Viertelmillion in bar in der Tasche.« Mit einem raschen Seitenblick versuchte sie herauszufinden, wie die Erwähnung der Summe bei mir angekommen war. Ich bemühte mich, dreinzublicken wie jemand, der solche Beträge tagtäglich bewegt. »Nein«, fuhr sie fort, »da stimmt etwas nicht. Normalerweise liefert er erst mal das Geld hier ab. Das würden Sie doch wohl auch so machen, oder?« Sie sah mich an, als erwarte sie ein Nicken. Es kam, doch es kostete Überwindung. »Allein schon aus Sicherheitsgründen. Falls etwas Unerwartetes dazwischenkommt, ruft er an. Doch seit Samstagmittag - nichts. Bei seinem Handy geht nur die verdammte Mailbox dran. Ich mache mir wirkliche Sorgen!« Sie stampfte mit dem Fuß auf, trotzig, und suchte wieder Trost bei ihrem Gesöff. Im Moment sprach und wirkte sie völlig klar, und das, obwohl der Pegelstand ihres Humpens rasant fiel. Ich würde meine restlichen Fragen ähnlich rasant stellen müssen, wollten wir zu einem Ende kommen, bevor die Wirkung einsetzte, denn das würde sie, und zwar bald.
»Dieser Kling«, sagte ich, »was ist das für ein Typ?« Wer den Vermissten zuletzt gesehen hat, ist automatisch verdächtig. Denn, mal ganz im Ernst, wer sieht ein Mordopfer als Letzter lebend? Genau. Und automatischer Hauptverdächtiger Nummer zwei ist dann immer der, der die Leiche findet.
»Soweit wir wissen«, sagte Hauptkommissar Menden und ließ sich langsam auf seinen Drehstuhl sinken, »haben Sie das Opfer gestern Nacht als Letzter lebend gesehen und dann heute Morgen den Leichenfund gemeldet. Das kann natürlich Zufall sein«, sagte er, mit großem Ernst. Ein heimlicher Sarkast, unser Hauptkommissar. »Doch was mich ein wenig stutzig macht, ist dies: Warum haben Sie bisher nichts von dem Geld erwähnt?«
Ursel Sentz, dachte ich. Sie hatten natürlich inzwischen mit ihr gesprochen. Mit der Witwe.
»Wie hat sie es aufgenommen?«, fragte ich. Gestern noch Gattin, heute schon Witwe. Wie schnell so was geht, manchmal.
»Frau Sentz? Gefasst, würde ich sagen. Nur bei Erwähnung Ihres Namens verlor sie kurz die Beherrschung. Sie bot mir eine größere Summe, wenn ich Sie auf der Flucht erschieße.«
Zwanzig Mille, dachte ich. Schön wär's gewesen.
»Es wird der Schmerz über den Verlust sein«, sagte ich mitfühlend.
»So sehe ich das auch. Doch zurück zu meiner Frage: Was ist mit dem nicht unerheblichen Geldbetrag passiert, den das
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