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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Nickte, wenn auch zögernd. »Und dann habe ich ihn husch, husch wieder angezogen, ihn in die Küche getragen und auf eine Luftmatratze gelegt, damit das keiner merkt?« Aus meinem Augenwinkel sah ich, dass Menden wieder seinen Platz am Fenster eingenommen hatte. Ich spürte plötzlich, dass die nächste halbe Stunde Fun werden könnte. »Krieg dich mal besser schnell wieder ein«, riet ich ihm.
    »Siezen!«, brüllte er. »Du sollst mich siezen! Und so, wie das Bett aussah, hättet ihr eine Orgie darin gefeiert haben können!«
    »Och, nu. Nur weil mein Laken ein bisschen zerknittert ist .«
    »Ein bisschen zerknittert?!«, echote er. Auf die laute Tour, wie ich es geahnt und befürchtet hatte. »Ein bisschen zerknittert? Das verdammte Laken war steif vor Flecken! Man hätte es, so wie es war, in die Ecke stellen können.«
    Ein kurzes Auflachen, das ich unten zu halten versuchte, nahm den Notausgang durch die Nase. »Ich nehme an«, sagte ich, mühsam beherrscht, »dass, wenn du dir einen greifst, nur Dampf rauskommt und die Laken nachher makelloser sind als vorher?«
    Für einen Moment war er so perplex, dass er das >du< überhörte. »Ich onaniere erst gar nicht!«, brüllte er dann, dass man es bis auf die Straße hören konnte.
    Menden, der bis dahin teilnahmslos zugehört hatte, wandte den Kopf in seine Richtung.
    »Och, komm«, machte ich, »das glaubt dir doch keiner, Schmidtchen.«
    »Hufschmidt!«, bölkte er, »ich heiße immer noch Kommissar Hufschmidt!«
    »Echt? Soll das etwa heißen«, fragte ich verwundert, »deine Kollegen nennen dich neuerdings nicht mehr Schmidtchen Schreihals?«
    Er gab ein kurzes, stranguliertes Geräusch von sich und gaffte. Mit offenen Mund. Tilt.
    So, dachte ich, das wärs fürs Erste gewesen mit der lauten Tour. Und auch zurück zur kumpelhaften, das spürte ich, würde es noch ein ziemlicher Weg werden.
    Ich hatte mich auf ein Sofa geworfen und besah mir die Liste der Spielsalons, die Sascha abkassiert hatte. Ich hoffte auf einen Funken der Inspiration. Man meint ja, Detektivarbeit stütze sich weitgehend auf analytisches Denken und Kombinationsgabe, doch ich hatte es mit beidem versucht und festgestellt, dass es vergleichsweise harte Arbeit ist, die im Endeffekt nicht besser bezahlt wird als eine aus dem Ärmel geschüttelte zündende Idee.
    Die Namen waren nichts sagend, deprimierend. >Spiel< und >Glück< waren einander abwechselnde feste Bestandteile, meist gekoppelt mit irgendeiner Variation des Oberbegriffs >Gebäu-de<. Sollte ich die Läden der Reihe nach abklappern und das Personal befragen? Auch harte Arbeit, die im Endeffekt nicht besser bezahlt wurde, als einer Eingebung folgend die nächste Eckkneipe aufzusuchen und den Vermissten da in den Armen der Aushilfskellnerin zu überraschen. Alles schon da gewesen.
    Meine Auftraggeberin beobachtete mich derweil. Hauptsächlich durch den Boden ihres Schwenkers hindurch.
    »Und«, fragte sie, »wie gedenken Sie nun vorzugehen?«
    Mit dem allerleichtesten Schlurren der Zunge.
    »Hrrm.« Eine Fluse kratzte mich im Hals. Sicher vom Rumkrauchen auf dem Teppich. Außer dem Cognac war nichts Flüssiges in Griffweite, also gurgelte ich halt damit. Jetzt war sie weg. Ich kniff ein Auge zu und linste mit dem anderen in den Hals der Karaffe. Echt nicht übel, der Stoff. >The more you drink it, the more you like it<, kam mir in den Sinn. Das hatte mal ein Neger zu mir gesagt, als ich noch klein war, in einer kuriosen Kneipe in Werden, und er sprach über Retsina, von dem ich gerade den ersten Schluck meines Lebens genommen hatte und fand, er schmecke wie Kerosin. Nach drei Gläsern fing ich an, ihm Recht zu geben, nach fünfen war ich schon völlig hinüber. Der Neger schlabberte das Zeug wie ein Mastkalb seinen Chemie-Cocktail, und als er sich verabschiedete, lallte ich ihm hinterher: »Howow mmany did you have?« Und er antwortete: »Eleven.« Und ging kerzengerade hinaus. Das hatte mir unheimlich imponiert, damals.
    »Schlafen Sie, träumen Sie, oder denken Sie nach?« Ursel Sentz war extra in die Hocke gegangen, um mir die Frage direkt ins Gesicht blaffen zu können und hatte mich damit, wie man so sagt, auf dem falschen Fuß erwischt.
    »Nun«, suchte ich nach Worten, »um ehrlich zu sein, dachte ich gerade an einen Neger, den ich mal in Werden .« Sie stoppte mich mit einer Handbewegung, richtete sich auf und schüttelte den Kopf. Die Geschichte würde ich ihr ein andermal erzählen müssen. Es wurde Zeit, meinen Job zu

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