Sense
Porzellanschüsselnummer. Andere lassen sich gegen Ende von Schuldgefühlen übermannen und flennen, was das Zeug hält. Die Papiertaschentuchnummer. Wenn sie nicht - durchaus auch nach geschmeidigem Erbrechen und einer tränenfeuchten Schachtel Kleenex - über eine deiner Bemerkungen, einen einzigen, nicht so recht gelungenen, flauen Witz in einen kolossalen Ausraster geraten und anfangen, mit dickbödigen Gläsern und scharfkantigen Aschenbechern nach dir zu schmeißen. Die Platzwundennummer.
Das Leben eines Detektivs ist voller versteckter Risiken und schmerzlicher Erfahrungen, dachte ich in galliger Erinnerung an manche auf der Straße angezogene Hose.
Da kam schon meine Taxe um die Ecke gedieselt. Wohin zuerst? Ein paar der Sentz'schen Paläste überirdischer Vergnügungen abfahren und das sicherlich hoch motivierte, tief betroffene und deshalb ach so auskunftsfreudige Fachpersonal listig befragen und in kompromittierende Widersprüche verwik-keln? Aber dann wohl kaum mit dem Taxi. Saschas und Ursels Daddelbuden lagen kreuz und quer über die Ruhr City verstreut. Nein, ich würde ein Auto brauchen. Und an die Carina durfte ich noch nicht mal denken. Fahrerflucht nach Blechschaden wird hierzulande härter bestraft als Mord aus niederen Beweggründen. Mir eins zu leihen ging auch nicht. Man glaubt ja gar nicht, was sich die Leute wegen solcher Lappalien wie ein, zwei Kratzern oder Schrammen, einem gesprungenen Scheinwerferglas, einer kaum zu sehenden Delle, einem faltigen Kotflügel, einem etwas schräg stehenden Rad oder einer irgendwo dran hängen gebliebenen Stoßstange anstellen können. Und mieten? Nun ja. Seit dieser unerklärlichen kleinen Pechsträhne von mir, als es gleich mehrmals hintereinander nicht viel mehr zurückzugeben gab als die Schlüssel, und selbst die nicht immer, neigen die Computer der Autovermieter in dieser Gegend hier zu schlagartigen Abstürzen, sobald nur die drei Anfangsbuchstaben meines Nachnamens eingetippt werden.
Nein, es nutzte alles nichts: Ich würde mir eins kaufen müssen. Und zwar auf Pump.
Das geht. Vorausgesetzt, man verfügt über ein wenig Geschick. Und hat keine zu hochgestochenen Ansprüche.
Ich ließ mich auf den Rücksitz der Taxe fallen und gab dem Fahrer die Adresse der Autoverwertung Heiner Sültenfuss in Mülheim-Broich. Was ich immer gerne sage, ist: Solange man nicht über die Mittel verfügt, die Umstände seinen Ansprüchen anzupassen, sollte man es andersrum versuchen.
Mein Motto, könnte man sagen.
Unterwegs ließ ich kurz bei McDonald's halten und investierte ein paar Mark in die Finessen der nordamerikanischen Cuisine. Der Fahrer blickte gar nicht begeistert, als ich anfing auszupak-ken, und noch weniger, als ich anfing, das Zeugs in mich hineinzustopfen, doch ich gab ihm einen von meinen vier Kaffees ab, und er hielt zumindest die Schnauze.
Etwas matt - dies war die erste feste Nahrung seit einiger Zeit gewesen, und die ungewohnte Magentätigkeit saugte mir das Blut aus dem müden Hirn wie ein Anlasser den Strom aus einer schwachen Batterie - kam ich an meinem Ziel an und gab ein größeres Trinkgeld, damit er auch über den zurückgelassenen Müll die Schnauze hielt. Nur einen angebissenen Hamburger und die letzten paar Pommes nahm ich mit, als ich austieg. Ich wusste jemanden, der sich darüber freuen würde.
Hinter einem eisenbeschlagenen Tresen unter dem niedrigen Dach einer lang gestreckten Holzbaracke stand Mustafa Üglük und rund zwanzig Kunden aus einundzwanzig Nationen davor. Bei Heiner Sültenfuss gab sich die Welt die Klinke in die ölgeschwärzte Hand. Mustafa arbeitete hier, seit er vor einem halben Jahr mit seinem Döner-Imbiss Pleite gegangen war, und wenn er eine Bestellung annahm - eine Antriebswelle etwa, oder einen Wischermotor -, musste er sich immer noch jedes Mal auf die Zunge beißen, um nicht eilfertig >zum Mitnehmen oder zum Hieressen?< zu fragen.
Ich rief, was ich immer rief, wenn ich reinkam, nämlich: »Heiner da?«, und Mustafa antwortete, was alle, die hier arbeiten, dann immer antworten: »Müsste jeden Augenblick zurück sein.« Heiner fuhr lieber mit dem Abschleppwagen herum und sammelte Leichen ein, als sich dem babylonischen Sprachgewirr seiner Kundschaft zu stellen.
Die in eine Serviette eingeschlagenen Essensreste über dem Kopf und meinen vierten und letzten Kaffeebecher auf Armlänge vor mir balancierend bugsierte ich mich vorsichtig durch die Menge und ihre mannigfaltigen Versuche, mit fünf bis sieben
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