Sense
öfter vorkam. Oder war ihm vielleicht doch jemand nachgeschlichen und hatte ihm eins über den Wirsing gezogen und ihn um die Moppen erleichtert? Halb und halb fing ich an, zu bereuen, eine Prämie anstatt eines Tagessatzes ausgehandelt zu haben. Denn wenn sie ihn im Rhein-HerneKanal versenkt hatten, konnte ich laaange suchen. Doch nein, mein Instinkt sagte mir .
»Na, träumen Sie schon wieder von Ihrem Neger?« Ursel Sentz stand halb über mich gebeugt, ihr Glas - leer - in der einen, einen Briefumschlag in der anderen Hand, die Bluse einen oder zwei Knöpfe weiter auf als gerade noch und den Lippenstift frisch, wenn auch mit deutlich unsicherer Hand nachgezogen. Oha. Die befürchtete Wetterwende war in vollem Anmarsch. Ich hievte mich aus dem Sofa und schnappte mir den Umschlag.
»Für den Moment habe ich nur noch eine Frage«, sagte ich. »Ist Ihr Mann bewaffnet?« (Man möchte vorbereitet sein, wenn man einem nach zwei schlaflosen Tagen und Nächten über den Karten möglicherweise etwas sprunghaft gewordenen Kokser die Hand auf die Schulter legt.)
»Aber ja. Klar doch. Er besitzt eine 38er Smith & Wesson mit kurzem Lauf. Habe ich ihm zu Weihnachten geschenkt. Normalerweise hält er sie im Handschuhfach unter Verschluss, außer wenn er kassiert. Dann trägt er sie selbstverständlich bei sich.«
Hm. »Dann bräuchte ich noch Typ, Ausführung und Kennzeichen seines Wagens und natürlich ein Foto Ihres Mannes.« Hatte sie alles schon vorbereitet. »Und wenn Sie mir dann noch ein Taxi rufen könnten?« Sie segelte rüber zu ihrem Schreibtisch.
Sascha Sentz fuhr einen goldfarbenen Benz, ein zwölfzylindri-ges 600er Coupe. Ich besah mir sein Foto. Ein Schnappschuss, draußen im Halbschatten, unter einem Sonnenschirm oder einer Markise sitzend, dahinter ein großer, vielarmiger Kaktus im grellen Sonnenlicht. Marbella, mochte ich wetten. Also, für meinen Geschmack waren mir seine Zähne zu weiß und zu gleichmäßig, seine Haare zu lang und zu lockig, der Schmuck um Hals, Arme und Finger zu golden, und auch sein Hemd stand mir zu weit offen. Andererseits, mir brauchte er ja auch nicht zu gefallen. Alles in allem, sagen wir es so, sah Sascha Sentz nicht unbedingt so aus, als wüsste er die Hauptstadt Islands zu benennen oder gar zu buchstabieren. Was, wenn ich nur einen Moment drüber nachdenke, nicht viel heißt, denn - Reikjavik? Reykjavic? Rejkya .
»Tragen Sie eigentlich eine Waffe?«, riss Ursel Sentz mich aus meinen Gedanken, einen provozierenden Blick irgendwo auf die Höhe meines Reißverschlusses abgesenkt, der eine harte Zeit durchmachte. Hä? Sicher, die Hose war eng, doch so groß, um als Waffe durchzugehen, war er nun auch wieder nicht, nicht mal als kurzläufige 38er Smith & Wesson, die den hübschen Spitznamen >Snubnose<, zu Deutsch >Stupsnase<, trägt. Unsicher sah ich an mir herunter. Ach so.
»Ach so«, sagte ich. »Nein. Das sind meine Ersparnisse.«
»Dann erzählen Sie uns doch mal, was genau angeblich mit Ihrer Hand passiert ist«, forderte Menden.
»Sicher 'ne Sehnenscheidenentzündung«, mutmaßte Hufschmidt. »Einseitige Belastung«, fügte er hinzu, begleitet von einer ziemlich schockierenden Geste.
»Vielleicht bin ich ja nur übertrieben skeptisch«, fuhr Menden fort, ohne auf ihn einzugehen, »aber dieser recht improvisiert wirkende Gipsverband und Ihr anhaltendes Grimassieren beeindrucken mich nicht recht. Also, was ist die Geschichte dahinter? Überzeugen Sie mich!«
Ich dachte einen Moment nach. Sollte ich ihnen die Wahrheit auftischen? Doch ich sah darin keinen Sinn. Sie würden es nicht glauben, es würde nicht zu meiner Entlastung beitragen, deshalb sagte ich einfach das Erste, was mir in den Sinn kam: »Da bin ich mir beim Schuhezubinden ganz unglücklich draufgelatscht.«
Menden atmete einmal ein, einmal aus.
»Was ist, Chef«, fragte Hufschmidt, »soll ich ihm eine reinhauen?«
»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt«, schnurrte Ursel Sentz und kam auf mich zugewackelt, den Kopf halb schräg und ein halb entgleistes Lächeln um ihre halb verschmierten Lippen, »dass Ihre Antworten zuweilen recht kurios ausfallen?«
»Nein. Noch nie«, sagte ich mit Bestimmtheit und machte, dass ich da rauskam. Angesoffene, verheiratete Frauen! Die schlimmste Sorte. »Ich rufe alle paar Stunden an!«, rief ich noch, dann knallte ich die Haustür hinter mir zu. Puh! Mit denen geht es immer schief. Immer. Denen, die sich eine Extraportion Mut angetrunken haben, wird gerne schlecht. Die
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