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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Mark 60 zutage. Hm. Nach oben hin schienen die Beträge kleiner zu werden, also versuchte ich es mit Nummer 2. 2 Mark 60! Was wollte man mehr. Ich warf die Münzen ein, doch der Groschen fiel hartnäk-kig durch. Nummer 1! 2 Mark. Auch gut. Sollte sich das als zu wenig herausstellen, konnte ich ja immer noch dem Kontrolleur eins mit dem Nothammer überziehen und den Rest meiner Tag als Outlaw verbringen.
    Fahrkarte in der Hand, besah ich mir die an der Seite des Automaten angebrachte bunte Schemazeichnung der verschiedenen Linien. Zapperlot, was für ein psychedelisches Farbenspiel, was für ein heilloses Durcheinander! S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn, Interregio, Intercity - die Möglichkeiten, sich zu verfahren, schienen endlos. Schließlich wandte ich mich an einen Uniformierten, der mich erst mal musterte, als hätte ich versucht, ihn anzupumpen, bevor er mir gnädig Bahnsteig und Zugnummer verriet. Entweder war der Mann von Haus aus muffelig, oder mit meiner Aura war heute etwas nicht in Ordnung.
    Die Bahn war proppenvoll. Hauptsächlich Teenager. Die weibliche Variante geschminkt wie die Königin von Saba in einer italienischen Bibelverfilmung und auf Sohlen, die nichts für Leute mit Höhenangst waren, und die männliche Spielart mit Gel in den Locken und Handys am Gürtel, wenn nicht, wie die meisten, am Ohr. Man wurde das Gefühl nicht los, dass sie miteinander telefonierten, Rücken an Rücken, ein Zeichen von Coolness wie alles, das den Erwachsenen unbegreiflich erscheinen muss. Daher vermutlich auch das Schwarz, das alle trugen. Ich meine, alle. Mir war danach, >Um Gottes willen, ist jemand gestorben?< in die Runde zu rufen, nur um zu sehen, wie sie die Augen nach oben verdrehten und mit unter die Schneidezähne gehobener Unterlippe ausatmeten, so genervt, doch stand ich eingepfercht in ein Grüppchen der geschminkten Sorte, deren schrilles Gequieke meine Schädeldecke rissig werden und meinen Sinn für Scherze eine Vergangenheitsform annehmen ließ.
    Sehenden Auges wurde ich an meiner Behausung vorbei und weit, weit, weiter bis zum Mülheimer Hauptbahnhof geschaukelt, von wo aus ich dann den Bus besteigen musste, um mich wieder zurückkarren zu lassen.
    Damals, Jahre her, als ich durch eine Reihe unglücklicher Umstände mal für ein paar Monate auf meine Fahrerlaubnis verzichten musste, hatte ich ein halbes Dutzend gleich oder zumindest ähnlich lautender Briefe an die Betriebe der Stadt, die Bundesbahndirektion und den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr geschickt und die Einrichtung einer S-Bahn-Haltestelle direkt vor der >Endstation< angeregt, und in einem halben Dutzend gleich oder ähnlich lautender Antwortschreiben hatten sie mich höflich, aber bestimmt für bekloppt erklärt.
    Die Katze lauerte mir schon vor der Haustüre auf und verfiel bei meinem Anblick sofort in ihr übliches, hochfrequentes Gejanke, mit dem sie mir schon drei Anzeigen wegen Tierquälerei eingebrockt hat. Du kannst in Deutschland Frau und Kinder sieben Tage die Woche verprügeln, und die Nachbarn schauen diskret zur Seite, aber vergiss einmal, deine Katze zu füttern, und sie fordern den Strick für dich.
    »Gibt nix«, sagte ich zu ihr, und sie legte sich erst richtig ins Zeug, hob die Stimme in eine Tonlage, die sonst nur noch Mariah Carey zustande - und damit mein Radio regelmäßig in gefährliche Nähe eines Axthiebes - bringt. Zutiefst bedauernd, keine Axt zur Hand zu haben, flüchtete ich vor ihr her die Treppen hoch und in die Küche, wo ich hastig etwas Futter in ihren Napf kippte. Aah, sie schaltete die Sirene ab, und nach einem missmutigen Seitenblick (dies war nicht ihre bevorzugte Marke) und einem resignativen Schnaufer begann sie sich den kleinen Wanst voll zu schlagen.
    So.
    Jetzt die verordnete Schönheitskur. Duschen, rasieren. Freiwillig nahm ich noch Zähneputzen mit rein. Wenn schon, denn schon. Haareschneiden? Ach was. Rausgeschmissenes Geld. Wachsen ja eh wieder nach.
    Dann kam Umziehen. Ajeh, da hatte ich doch tatsächlich vergessen, mir ein Hemd zu kaufen. Blöd, das. Doch andererseits: Wovon hätte ich sollen? Von den verbliebenen 60 Pfennig? Dafür gibts noch nicht mal bei Wullewulle eins. Trotzdem blöd. Mit einem resignativen Schnaufer trat ich ins Schlafzimmer.
    Normalerweise halte ich mir darin zwei Haufen: einen mit sauberer, einen mit dreckiger Wäsche. Wie befürchtet, hatte der Schlonz der letzten Wochen alles bis zum letzten Fetzen auf den zweiten Haufen wandern lassen.
    Die kryszinskische Schule des

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