Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
los. Doch die Brandung holte mich spielend ein. Mit Urgewalt packte sie zu, fegte mich von den Füßen, schleuderte und schleifte mich mit sich. Jede Sekunde erwartete ich gegen Felsen zu schlagen und schützte den Kopf so gut wie unter diesen Umständen möglich mit beiden Armen. Als sich das Wasser zurückzog fand ich mich halb eingegraben im Sand wieder. Schwer atmend nahm ich die letzten Reserven zusammen und kroch umständlich weiter, nur weg, nur raus aus dem Brandungsbereich. In meinem Schädel dröhnte und hämmerte es.
Mir fiel mein Bruder ein. Für einen kurzen Moment zögerte ich, hin und her gerissen von der Angst um das eigene und Robs Leben, arbeitete mich dann aber weiter und kämpfte mich erneut auf die Füße. Der Orkan zerrte wie besessen an meinem Körper, fest entschlossen mich wieder zu Boden zu werfen, wo ich seiner Meinung nach hingehörte. Entschieden rang ich dagegen an und wagte endlich einen ersten Blick über die Schulter die Küste hinunter. Ich befand mich bereits außerhalb der Reichweite der zusammenfallenden Wellenberge und stolperte noch ein Stück weiter, bis meine Beine den Dienst versagten und ich mit dem Gesicht voran in nassem, eisig kaltem Sand landete.
Angeschlagen blieb ich liegen.
Aus Tausenden Kübeln ergoss sich Regen. Ich setzte mich auf, wandte den Kopf um und versuchte vergeblich durch den Niederschlag zu spähen. Es war unmöglich. Der dichte Vorhang des Regens nahm mir jegliche Sicht. Vehement überkam mich die Angst um meinen Bruder. Wie hilflos ich mich fühlte! Tränen der Hoffnungslosigkeit und des Schmerzes rannen aus den Augen und verloren sich in Sturzbächen aus Regenwasser.
Mit schon schwindender Energie sprang ich auf und schrie Robs Namen anklagend in Richtung Meer. Dann gingen sämtliche Lichter aus. Mein ausgelaugter Körper hatte kapituliert, ich kippte nach hinten weg und verlor das Bewusstsein.
In einer veränderten Welt kam ich wieder zu mir. Zögernd schlug ich die Augen auf und blinzelte mehrmals bevor ich es wagte, den heftig pulsierenden Schädel erst nach rechts und dann nach links zu neigen.
Okay, ich lebte.
Mit diesen Kopfschmerzen musste man noch unter den Lebenden weilen.
Mit zitternden Händen tastete ich meinen Kopf ab und berührte Stoff. Jemand hatte mir allem Anschein nach einen Verband angelegt. Auf die Ellenbogen gestützt blickte ich mich in der Höhle um. Sie war nicht sonderlich geräumig, bot aber genügend Schutz vor der sengenden Sonne, die draußen wieder das Regiment übernommen hatte. Das blendende Licht, das in die Höhle drang, schmerzte in den Augen und verstärkte das Pochen unter der Schädeldecke. Neben mir erspähte ich die Reste eines Hemdes.
Robs Hemd.
„Rob?“ Ich erkannte meine eigene Stimme nicht wieder. „Rob, wo bist du?“
Keine Antwort.
Ich setzte mich auf. Da es besser ging als erwartet, wagte ich mich auf die Beine. Zwar nahmen die Kopfschmerzen sofort an Intensität zu, doch sie ignorierend machte ich erste unsichere Schritte und trat vor die Höhle hinaus ins Freie. Die Xyn, die gute alte Sonne, stand bereits tief und tauchte die Welt in goldenes Licht. Vor mir lag das spiegelglatte Meer. Nichts erinnerte an das Unwetter, das hier vor kurzem noch getobt hatte. Nach einigen weiteren Schritten drehte sich mir der Kopf und ich sah mich gezwungen, den Stamm einer willkommenen Palme als Stütze anzunehmen.
Dann vernahm ich die Stimme meines Bruders.
„Bist du wieder unter den Lebenden?“ Vor mir stand ein lächelnder, kerngesunder Robert Schilt. Keine Schramme, keine Blessur war in seinem tief gebräunten Gesicht oder sonst irgendwo am von der Sonne gegerbten Körper auszumachen, der nur noch in einem alten Paar zerschlissener Hosen steckte.
Wieder einmal stellte ich fest, wie verblüffend ähnlich wir uns sahen. Manchmal war mir so, als blickte ich in den Spiegel, wenn ich sein Gesicht dicht vor meinem gewahrte. Er war drei Jahre älter und sah mit seinen beinahe dreißig Lenzen reifer und erwachsener aus als ich, aber dies war natürlich eine rein subjektive Ansicht. In Stoney Creek konnte man uns schon als Kinder nur schwer voneinander unterscheiden. Natürlich war Rob als der Ältere auch immer der Größere gewesen und neben ihm verriet mich stets mein geringerer Wuchs. Tatsächlich sollte ich ihn später einmal einholen und sogar um wenige Zentimeter überragen. Ich mochte vielleicht ein paar Haaresbreiten größer sein als er, dafür verfügte Rob über kräftigeren Körperbau. Er
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