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Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)

Titel: Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Thiele
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an dieser Verzögerung, die mich meinen Vater nur noch tot hatte auffinden lassen. Wie ich es auch drehte und wendete, immer wieder konnte ich die Tragödie nicht fassen, die sich hier vor kurzem abgespielt hatte.
    Wie oft hatte Mutter von ihm erzählt, von dem fremden jungen Mann aus dem Land Avenor, der irgendwann in der Endphase der Alten Zeit in Kellswater, ihrem Dorf, aufgetaucht war und ihr Herz gefangennahm. Nur wenige gemeinsame Tage sollten ihnen beschieden sein, doch reichten sie aus, um sie ein Leben lang zu binden. Bis zu ihrem Tod war sie überzeugt gewesen, dass er noch lebte, irgendwo im hohen Norden des verbotenen Kontinents, den sie Gondwanaland nannte.
    Ob er je geahnt hatte, Vater von zwei Kindern gewesen zu sein? Ich wage es zu behaupten. Von dem Tag, an dem ich den geheimnisvollen Kontinent zum ersten Mal betreten hatte, spürte ich seine Anwesenheit. Ihm war es wohl ähnlich ergangen. Wir hatten uns über viele hundert Meilen hinweg gespürt. Ihn nun nur um wenige Stunden verfehlt zu haben, ihm nicht mehr in die Augen sehen zu können, ihm nicht mehr sagen zu können, wie sehr geliebt und vermisst er gewesen war, schmerzte mehr als die körperlichen Anstrengungen der vergangenen Monate. Nun waren sie beide verloren, Mutter und Vater. Ylvie und ich waren Waisen.
    Die ganze Nacht verbrachte ich tief in Gedanken versunken neben meinem toten Vater. Nicht eine Sekunde gelang es mir ein Auge zu schließen. Ich war hellwach trotz der Anstrengungen des vergangenen Tages. Wenn ich auch nichts mehr für ihn tun konnte, so sehr ich es auch wünschte, so wollte ich ihm doch noch so lange wie möglich nahe sein.
    Der Mond schien taghell, als beabsichtigte er, die tiefe Dunkelheit in mir zu vertreiben. In seinem weißen Licht betrachtete ich stundenlang das reglose Antlitz meines Vaters, ertappte mich dabei, mit ihm zu reden, ihm Fragen zu stellen. Wie sehr ich mir Antworten darauf wünschte! Noch gestern würde ich sie bekommen haben... doch gestern war nicht heute, eine Erkenntnis, die tieftraurig stimmte. Mit bebenden Fingern berührte ich die kalten Wangen des Toten – und stutzte. Einen verschwindend kurzen Moment lang war ich mir sicher, einen silbrig schimmernden Schein auf seinen leicht geöffneten Lippen zu sehen, gleich einem frostklaren Atemhauch. Er vollführte wirbelnde Bewegungen, erstarrte und löste sich in Nichts auf. Für einen Augenblick zweifelte ich an meinem Verstand.
    Was war das gewesen? Konnte es sein, dass... aber nein, das war unmöglich. Eine Sinnestäuschung, ein Streich, den das Mondlicht spielte. Kopfschüttelnd schimpfte ich mich einen Narren, auch nur eine Sekunde ernsthaft daran geglaubt zu haben.
     
    Im Morgengrauen erhob ich mich schweren Herzens und machte mich daran, meinem toten Vater die letzte Ehre zu erweisen. In Ermangelung geeigneten Werkzeugs musste ich mich damit begnügen, den leblosen Körper mit Steinen zu bedecken. Den ganzen Tag lang schleppte ich Stein um Stein heran, bis ich endlich zufrieden war ob der Stabilität der Grabstelle, die in vielen Stunden knochenharter Arbeit entstanden war.
    Stumm verharrte ich am Grab meines Vaters. So vieles wäre zu sagen gewesen, so vieles sollte für immer unausgesprochen bleiben. Respektvoll nahm ich die Aufzeichnungen an mich und verstaute sie behutsam in meinem Bündel. Seine Geschichte bei mir zu wissen tröstete ein klein wenig über den schweren Verlust hinweg. Er sollte sie nicht umsonst niedergeschrieben haben. Still nahm ich mir vor, sie so bald als möglich zu lesen und vielleicht irgendeines fernen Tages fortzuführen.
    Ein letztes Mal wandte ich mich um und ließ den verschleierten Blick über die letzte Ruhestätte meines Vaters schweifen. Ich hoffte inständig, dass es ihm, wo immer er sich jetzt auch befand, besser ging als hier, besser als in den kühlen und trostlosen Weiten dieses öden Kontinents. Seufzend nahm ich Abschied. Nun blieb mir nichts mehr als den Rückweg anzutreten, heimzukehren nach Evu, der kleinen Insel am Südwestrand Gondwanalands, mit dem traurigen Wissen, meinen Vater zu Grabe getragen zu haben.
    Meinen Vater, den letzten Menschen Gondwanalands.
     
     
     
    ENDE

Anhang
     

LANDKARTEN

    1/5  GONDWANALAND (Ost)
     

     
     
     
    2/5  AOTEAROA
     
     
     
     
     
    3/5  LAURUSSIA
     

     
     
     
    4/5  UHLEB
     

     
     
     
    5/5  TAORSEE
     

     
     
    Weitere Informationen über Gondwanaland finden Sie im Internet unter
    www.jackschilt.de

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    Texte: © Copyright by

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